TALON 32 – Kulturgeschichte der Spielkarten und Kartenspiele

talon 32, Kulturgeschichte der Spielkarten und KartenspieleUnter einem Heuhaufen von digitalen Versprechungen, Stock-Bildern und Werbebotschaften ist ab und zu ein Schatz verborgen: Ein analoges Bilderbuch! – Es ist nicht für die Masse, sondern für Vereinsmitglieder und Freunde von regionalen Kleinodien gedacht.

Der Verlag Hofinger ist Spezialist beim Aufspüren dieser Kleinodien. In seinem Verlagsprogramm kommen regionale Künste und Kunsthandwerke zur Sprache, deren sich die wissenschaftliche Forschung nur selten annimmt. In einer vagen Beschreibung könnte man von einem gedruckten Regio-Wiki sprechen, das mehrmals im Jahr an die Öffentlichkeit gebracht wird.

Seit einem Jahrzehnt publiziert der Verlag das Jahrbuch des Vereins TALON, dabei handelt es sich um einen „österreichisch-ungarischen Spielkartenverein“ mit den Hauptsitzen in Wien / Budapest / Salzburg.

Die Bezeichnung Talon könnte man als Nichtkartenspieler als magisches Genre nehmen, worin für ein Spiel ein Satz Karten, Steine oder Vouchers ausgegeben wird. Der Talon wird dadurch zu einem literarischen Gefäß, aus dem sich Eingeweihte bedienen dürfen.

In der konkreten Anwendung als Fachzeitschrift geht es um frisch aufgetauchte Schweizer „Whist Karten“, bei denen die Urheberfrage nicht geklärt ist. Spielkarten sind Kunstwerke mit offenem Urheberrecht, weshalb sogenannte Spielkartenfabriken ein umfangreiches Archiv führen, um die Erscheinungsformen diverser Spielkarten über Jahrhunderte hinweg zu dokumentieren.

Im Beitrag über Ikonographie von Sammelkarten geht es um die Ästhetik sowohl von einzelnen Spielkarten, als auch ihrem Kontext in einem Talon. Wie Kapitel während eines Romans miteinander korrespondieren, tun dies auch einzelne Spielkarten im Talon.

Regionale Highlights werden in Graz und Klagenfurt aufgesucht, wo es eine besonders starke Sammeltätigkeit für selten publizierter Exemplare gibt.

Ein bislang unbekanntes Patience-Spiel und Karten aus dem 1. Weltkrieg für ein Soldaten-Tarock fügen sich logisch in den bislang vorhandenen Forschungsstrang ein, der sich etwa generell mit der Geschichte des Jassens oder dem Firmenporträt einer Kartenfabrik beschäftigt.

Das Bildmaterial ist breit ausgelegt, sodass der Eindruck von erhabenen Kunstwerken für den Spieltrieb entsteht. Üblicherweise bekommt man die Spielkarten nämlich nur als rasche Bildfolge in den Blick, wenn Karten ausgespielt und schnell wieder eingesammelt werden. Als Komposition in der Hand sieht man zudem nur Teile einer Spielkarte, denn niemand kann es sich leisten, ein Set statt als Handfächer etwa wie ein Leporello in der Hand zu halten, nur um die Kartenmotive bestaunen zu können.

Nicht nur das Bildmaterial zwingt zur Verlangsamung, auch der Disput über Spielkarten und Kartenspiele hat eine gewisse Bedächtigkeit, wenn die Raritäten einzeln erforscht und im Verein „auf den Tisch gelegt“ werden.

Im Vorwort erläutert Rainer Buland aus Salzburg „den Wert von Privatsammlungen und daraus entstehender Forschung“. Dabei entsteht ein Kommunikationsstil, der den wissenschaftlichen Succus mit der Liebenswürdigkeit des Vereinslebens kombiniert. TALON ist für Vereinsmitglieder ein intimer Kalender mit sehenswerten Motiven, für Vereinsgäste eine Einladung, in den Fundus jeweiliger Regionalgeschichte einzutreten. Und wie schon der Untertitel österreichisch-ungarisch sagt, ist die Region für diese Beforschung genügend groß, um darin Thesen und Interferenzen „ins Spiel zu bringen“.

Im Vorwort wird ein gewisser Klaus Reisinger zitiert, der ein sechsbändiges Werk „Tarocke“ herausgebracht hat.
[Klaus Reisinger: Tarocke. Kulturgeschichte auf Kartenbildern. Österreich unter den Habsburgern, Kaiserreich Österreich, Österreich-Ungarische Monarchie, Erste Republik, Österreich unter dem Nationalsozialismus, Zweite Republik. 6 Bände. Eigenverlag, Wien 1996 ff., ISBN 3-9500025-1-0.]

Dieses Mammutwerk wird nach dem Tod des Tarock-Forschers 2006 unverblümt und spielerisch fortgeführt. Das Jahrbuch TALON lässt sich daher auch als x-ter Band einer Kulturgeschichte der Spielkarten lesen.

Alle Sinne werden befriedigt, dennoch sagt ein echter Tarockaner: „Nur selber spielen ist noch schöner.“

TALON 32 – Kulturgeschichte der Spielkarten und Kartenspiele. Jahrbuch des Vereins TALON auf das Jahr 2023. Farbige Abbildungen.Herausgegeben von Wolfgang Altfahrt und Rainer Buland.
St. Johann: Verlag Hannes Hofinger 2023, 288 Seiten, 29,90 €, ISBN 978-3-9505074-6-1

 

Weiterführender Link:
Verlag Hannes Hofinger: TALON 32 – Kulturgeschichte der Spielkarten und Kartenspiele

 

Helmuth Schönauer, 06-06-2023

Bibliographie

AutorIn

TALON 32

Buchtitel

Kulturgeschichte der Spielkarten und Kartenspiele

Erscheinungsort

St. Johann

Erscheinungsjahr

2023

Verlag

Verla Hannes Hofinger

Herausgeber

Wolfgang Altfahrt und Rainer Buland

Reihe

Jahrbuch 2023

Seitenzahl

288

Preis in EUR

29,90

ISBN

978-3-9505074-6-1

Kurzbiographie AutorIn

Der „Talon – österreichisch-ungarischer Spielkartenverein Wien/Budapest“ ist eine internationale Vereinigung, die sich für Spielkarten, ihre Geschichte, Herstellung, Ikonographie und Verwendung (Kartenspiele) interessiert. Der Schwerpunkt liegt auf dem ehemaligen Gebiet von Österreich-Ungarn.