thomas podhostnik, der spatzenkaiserFür gewöhnlich läuft das Leben so dahin, ehe dann vielleicht ein Spatz vom Himmel fällt, um dem Ganzen eine Überschrift zu geben.

Thomas Podhostnik lässt seinen Helden Kaj vorerst einmal drei Seiten lang durch die Wüste streunen, ehe der sprichwörtliche Vogel vom Himmel fällt und dem Roman seinen Titel gibt: „Der Spatzenkaiser“. Dieser Vorfall ist mit einer Binsenweisheit verknüpft. „Auch ein Vogel musste sterben, es war  nur konsequent, wenn es in der Luft geschah.“ (6)

All dies geht dem Helden Kaj durch den Kopf, als er sich auf den Weg in ein Roadmovie macht, dabei aber nicht vom Fleck kommt. Für ein Roadmovie braucht es einen Fluchtgrund, geographische Ziellosigkeit, einen täglich neu zu erweckenden Move und eine Sehnsucht, der man vergeblich nachjagt.

julie leuze, hier kommt kalli wüstenmucks„Leo blinzelt. Was zur Hölle ist das? Es sieht aus wie ein kleiner Fuchs. Mit riesengroßen Ohren. Mit einem flauschigen Fell, das tatsächlich ganz herrlich anzusehen ist. Der Körper des Tieres schimmert in einem tiefen Dunkelblau und hat lustige grasgrüne Flecken. Die Ohren, die Schnauze und die buschige Schwanzspitze dagegen sind leuchtend türkis. Leo schüttelt den Kopf. Ein bunter großohriger Fuchs, der sprechen kann?!“ (S. 28)

Leo liebt die Tiere, was nicht ganz überrascht, arbeitet seine Mutter doch in einer Tierpraxis und in einer Wildtierstation, die von seinem Vater geleitet wird. Als er eines Tages beschließt in der Tierstation zu helfen, erlebte er mit Jenny der Tierpfleger ein riesiges Chaos im Futterhaus. Die Futtervorräte liegen ganz wild durcheinander und niemand weiß, wer für die Unordnung verantwortlich ist.

joachim hammer, glückes schiefe türmeWerkzeuge lassen sich in zwei Richtungen hin einsetzen, einmal, um einen bestimmten Sachverhalt zu erkunden, zu korrigieren oder zu optimieren, und im umgekehrten Sinn, indem man schaut, wofür sich dieses Werkzeug zusätzlich verwenden ließe.

Joachim Gunter Hammer hat über Jahrzehnte hinweg lyrisches Werkzeug erfunden, mit dem er vor allem phänomenologische, botanische oder molekular-physikalische Vorgänge erkundet. Als „Schweizermesser“ dieser lyrischen Erforschungen dienen ihm oft 17- und 19-Silbler. Diese an alte fernöstliche Dichtkunst anknüpfende Schärfe im Umgang mit Silben und Wortmaterial bewährt sich auch im europäischen Gebrauch, wenn Vorgänge aus der politischen Schwarzweißmalerei plötzlich mit einem über-sensiblen Besteck zerlegt und einem neuen Sinn zugeführt werden. In einer schlagwortartigen Einschätzung der Lyrik von Joachim Gunter Hammer könnte man sagen, seine Gedichte laufen ähnlich quer durch die Welt wie das heiße Messer durch die Butter.

oliver scherz, sieben tage mo„Ich hielt an, wischte mir den Schweiß aus dem Gesicht und schaute gebannt auf die schwarz-graue Wolkenwand. Da ahnte ich noch nicht, wie sehr mich die nächsten Tage durcheinanderbringen würden. Dass es mir vorkommen sollte, als würde mich ein Wirbelwind in die Luft drehen, bis ich mich selbst nicht mehr richtig verstand …“ (S. 24)

Der zwölfjährige Karl und sein Bruder Moritz, genannt Mo, sind zwei ungleiche Zwillingsbrüder. Mo ist mit einer geistigen Behinderung zur Welt gekommen, nachdem ihm bei der Geburt durch seine Nabelschnur die Luft abgeschnürt wurde. Seit ihre Mutter wieder zur Arbeit geht, kümmert sich Karl um seinen Bruder, wenn beide wieder aus der Schule zurück sind.

marcus willaschek, kant„Immanuel Kant ist der bedeutendste Philosoph der Neuzeit, die Kritik der reinen Vernunft ein Meilenstein der Geistesgeschichte. Seit Platon und Aristoteles hat niemand über so viele und unterschiedliche Themen tiefer und innovativer nachgedacht als Kant. Er «zermalmte» die traditionelle Metaphysik – und begründete eine neue. Er erklärte die Entstehung unseres Planetensystems und formulierte den kategorischen Imperativ. Er war Wegbereiter des Kosmopolitismus und der modernen Idee der Menschenwürde.“ (S. 13)

Immanuel Kant zählt zu den wichtigsten Philosophen der Neuzeit, der in seinem Denken den Versuch unternommen hat, die Philosophie auf neue, gesicherte Beine zu stellen. Dabei hat er sich mit einer breiten Vielfalt an Themen auseinandergesetzt, von der Metaphysik bis hin zur Entstehung der Planetensysteme. Dabei hat er Vorstellungen formuliert, die heute noch das gesellschaftliche Denken bewegt, wie die bahnbrechenden Ideen von Kosmopolitismus und Menschenwürde.

anja stefan, tanze, tanze kleine maus„Trilli lilli, trallala, / unser Mäuschen ist nicht da, /Wo ist es? Am Hügel drüben, / such nach großen roten Rüben. // Trilli lilli, trallala wann ist Mäuschen wieder da? / Das weiß keiner, denn beim Gehen / bleibt’s bei jeder Blume stehen.“

Kinder lieben Gedichte und Reime, die wie Musik von den Lippen fliegen und sich mit lustigen frechen Geschichten verbinden. „Tanze, tanze, kleine Maus“ bietet eine ebenso witzige wie fröhliche Sammlung von Mäusegedichten zu den verschiedensten Lebenslagen.

lukas meschik, die würde der empörtenHistorische Zeitepochen werden oft nach psychischen Klein-Befindlichkeiten benannt, ehe sich dann ein großer Begriff durchsetzt wie beim Barock oder der Romantik. Um 1900 wurde etwa vom „nervösen Zeitalter“ gesprochen, weil der Erste Weltkrieg ja noch auf sich warten ließ. Die Gegenwart hat ebenfalls viele Probe-Begriffe im Umlauf. Unter anderem verwendet sie den Ausdruck „Wutbürger“, um den Auflauf irritierter Menschen zu beschreiben.

Lukas Meschik versucht, die Gegenwart mit einem essayistischen Roman in eine Erzählung zu verwickeln. „Der Vorteil des Erzählens besteht darin, nicht auf Prognosen angewiesen zu sein.“ (24) Und im Vorsatz ist als Motto eingeprägt: „Die Gegenwart lässt sich am besten als Dystopie erzählen.“ (5)

jeremy dronfield, fritz und kurt - zwei brüder überleben den holocaust„Ich erzähle die Geschichte einer Familie, die mehr Grund zur Sorge hatte als viele andere. Sie hieß Kleinmann. Gustav und seine Frau Tini hatten vier Kinder: zwei Mädchen und zwei Jungen – Edith und Herta, Fritz und Kurt. Sie lebten in Wien, der schönen alten Hauptstadt von Österreich. (S. 16)

Für die jüdische Familie Kleinmann ändert sich nach dem Einmarsch Hitlers im Frühjahr 1938 alles. Als Juden werden sie vom öffentlichen Leben ausgegrenzt und schließlich verfolgt. Das Buch erzählt vom Schicksal der beiden Brüder Fritz und Kurt, denen es gelang die Grauen der NS-Zeit zu überleben.

Die Familie Kleinmann ist sofort von den Arier-Gesetzen betroffen, mit dem bereits in Deutschland Juden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wurden und die das Leben der jüdischen Bevölkerung schikanierten. Die beiden Brüder mussten erleben, wie Menschen, mit denen sie früher befreundet waren, sie plötzlich schnitten oder ihnen sogar aggressiv begegneten.

robert stähr, plattform einsIn manchen Kulturen wird das Parterre eines Gebäudes mit „Plattform eins“ bezeichnet. Das trifft sich gut, denn unter Parterre versteht man im psychologischen Kontext einen Zustand, bei dem die Helden seltsam am Boden sind. – „Heute bin ich wieder ganz Parterre!“

Robert Stähr nimmt drei Anläufe, um derangierte Helden und am Boden zerstörte Individuen auf die Plattform eins zu heben. Eingestimmt wird der Leser auf die jeweiligen Abschnitte mit drei Tuschzeichnungen von Sandra Lafenthaler, die wie brüchige Lava-Konturen Umrisse zum Vorschein bringen. Sie erinnern einmal an ein Knäuel Papier, dann wieder an eine schräg aufgezogene Jalousie und schließlich an einen notdürftig zusammengeklappten Seilzug. Die Linien dieser drei Zeichnungen sind spröde, der Strich setzt zwischendurch aus und ergibt schließlich ein Stück pure Perforation.

friedbert stohner, lottiAlso es war an einem Montag, da durften wir unser Lieblingskuscheltier mit in die Schule bringen, und ich hab Lotti mitgenommen, und als ich nach Hause kam, war sie nicht mehr in meinem Rucksack, sondern bloß Nikos blöder Gorilla, der angeblich dauernd pupsen musste, dabei war es bloß Niko selber mit den Lippen. So ist mein Teddy Lotti verschwunden … (S. 5)

Die kleine Mathilde ist zu Tode betrübt, als sie nach der Schule bemerkt, dass Lotti, ihr geliebter Teddybär, verschwunden ist. Zunächst verdächtigt sie Niko, einen Mitschüler, doch dann läutet es unerwartet an der Haustür und der kleine Teddybär sitzt zur Überraschung aller ganz alleine auf der Fußmatte.