Daphne Mahr, Das Antiquariat der verlorenen Dinge
„Zum ersten Mal seit damals stand ich am Bahnsteig des Gare de Lyon Perrache. Nun jedoch ohne Mama und Papa, denn meine Eltern fanden, dass eine Sechzehnjährige das Recht hatte, die Welt allein zu erkunden. Sie stellten sich das wie in Büchern oder Filmen vor, in denen Jugendliche die verrücktesten Abenteuer erleben und darüber erwachsen werden.“ (S. 14)
Die sechzehnjährige Clara Bernstein wünscht sich zu ihrem Geburtstag in ihren Sommerferin ein Praktikum in der Buchbinderwerkstatt ihres verstorbenen Großvaters Papy Philippe. So macht sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben allein auf die Reise nach Lyon, ohne zu ahnen, dass sie das Abenteuer ihres Lebens erfahren wird.
Bis zu ihrem elften Lebensjahr hat Clara meist mit ihrer Mutter ihren Großvater Papy Philippe in seiner Buchbinderei besucht. Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen und sie freut sich das gewünschte Praktikum bei ihrer Tante Yvette Lombard antreten zu dürfen. Doch die Anfangsfreude hält nicht lange an, als der griesgrämige Monsieur Mathis, der bereits von ihrem Großvater eingestellt worden war, ihr unfreundlich und abweisend nur langweilige Tätigkeiten überträgt, wie Bücherei einräumen und abstauben.
Auch Théo, Yvettes Neffe, der ebenfalls in diesem Sommer der Buchbinderei arbeitet, zeigt sich anfangs als eher wortkart und unnahbar. Seine Eltern waren vor Jahren bei einem mysteriösen Motorradunfall ums Leben gekommen, weshalb er hartnäckig versucht, von seiner Tante nähere Details über den Tod seiner Eltern zu erfahren.
In ihrer ersten Nacht erwacht Clara zu später Stunde, weil sich eine schwarze Katze auf unerklärliche Weise in ihr Zimmer geschlichen hat. Als diese das Haus wieder durch das geöffnete Fenster verlässt, bemerkt Clara die Katze auf der Straße mit einem verdächtigen Mann, der scheinbar aus Yvettes Buchbinderei gekommen zu sein scheint. Ihre Tante spielt die merkwürdige Geschichte am nächsten Tag herunter, nur Théo interessiert sich dafür und will sich heimlich am Abend mit ihr treffen.
Genervt von ihrer Arbeit mit dem misslaunigen Monsieur Mathis bemerkt sie in der Werkstatt ihres Großvaters zufällig eine lose Holzdiele unter der sich ein Hohlraum im Boden befindet. Im Hohlraum entdeckt sie eine dunkle, mit einer Fahrradkette gesicherte Truhe. Sie durchtrennt die Kette mit einer Zange und entdeckt ein wenig enttäuscht nur ein altes ausgefranstes aber dennoch schönes Medizin in lateinischer Sprache verfasstes Medizin- oder Rezeptbuch. Als sie das Buch schließt, flattert ein Zettel heraus, auf dem, wie von Kinderhand, die Buchstaben A, K und V geschrieben standen.
Von Theo erfährt Clara, dass Theos Großvater die gefährlichen „Bücherwürmer“ für den Motorradunfall verantwortlich gemacht hatte. Als in der nächsten Nacht das Buch aus der Werkstatt sich plötzlich in ihrem Zimmer wiederfindet, entdeckt sie, dass auf dem Blatt Papier auf einmal „Bibliothèque Marseille“ geschrieben steht. Gemeinsam mit Theo macht sich Clara auf den Weg nach Marseille, muss aber schnell erkennen, dass sie verfolgt werden und sich auch andere Personen für das merkwürdige Buch zu interessieren scheinen.
Daphne Mahr entführt ihre Leserinnen und Leser in eine fabelhafte Welt der Bücher und Bibliotheken und entdeckt dabei nach und nach ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten aber auch Geheimnisse, die sich zwischen so manchen Buchdeckeln verbergen.
Neben einem spannenden Roadmovie quer durch Frankreich erzählt der Jugendroman „Das Antiquariat der verlorenen Dinge“ auch die Geschichte einer ersten zarten Liebe. Ein überaus lesenswertes und fesselndes Buch, das seine Leserinnen und Leser immer tiefer in seinen Bann zu ziehen vermag.
Daphne Mahr, Das Antiquariat der verlorenen Dinge. Ab 12 Jahren
Berlin: Ueberreuter Verlag 2022, 352 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-7641-7131-5
Weiterführende Links:
Ueberreuter Verlag: Daphne Mahr, Das Antiquariat der verlorenen Dinge
Homepage: Daphne Mahr
Andreas Markt-Huter, 02-03-2023