Daniela Chana, Sagt die Dame. Gedichte

daniela chana, sagt die dameGedichte können ohne jegliche Ordnung auskommen und wie gefallene Blätter durch den Garten strömen. Wenn man sie dann einzeln aufklaubt, merkt man, dass sie sich alle einem Baum, Zweig, ja sogar Andock-Punkt zuordnen lassen.

Daniela Chana lässt ihre Gedichte wild herum wehen, sie sind frei und ungezähmt, aber als Sammlung ergeben sie dann so etwas wie die verwehte Biographie eines lyrischen Ichs. Schon im Vorspann ist eine Widmung eingefügt, wonach diese Gedichte für jene Singer-Songwriter sind, „deren Werke mich als Teenager berührt und die Liebe zur Lyrik in mir geweckt haben.“

Die Gedichte haben in der Folge etwas von diesem unbekümmerten Moment, wo eine Liebe ausbricht, ein Geschirr zerbricht oder eine Lichtkonstellation einen Abend unvergesslich macht. Das lyrische Ich hat etwas von einer Heldin, die sich beim Vorlesen aus dem Bilderbuch auf die Socken macht und in den Zoo geht, die den Schmetterlingen auf den Pferderücken nachblickt und süffisant bemerkt, dass alle ihr Bestes geben.

Eine markante Überschrift fasst die poetische Situation zusammen und vernetzt das Gedicht im Alltagsgeschehen. „Im November, erst im November“ schwärmt vom Liebhaber, er erst in dieser düsteren Jahreszeit auftauchen wird. „Meine schlechtesten Dates“ handelt naturgemäß von der Erwartung der großen Liebe, die aber an diesem Tag gerade auf besonders hässlichen und unsicheren Beinen steht. „Das traurige Gedicht vom Bäcker“ handelt von einem Vormittag, an dem alle Geschäfte und Handwerker traurig aufgesucht werden müssen, vielleicht weil sie demnächst schließen, vielleicht, weil die Traurigkeit der Kundschaft ziemlich ansteckend ist.

Und dann kommt schon das Titelgebende Gedichte „Sagt die Dame“. Zwischen Küssen und dem Einchecken ins Hotel tun sich plötzlich Spielkarten aus einem Fächer auf, und das glückliche Ich ist eingekreist von Buben und Damen, die jeweils anhand eines guten Blattes die volle Erfüllung versprechen.

Das zweite große Thema nach der Liebe ist die Literatur, die als geheimnisvolle Macht auftaucht und alle verzaubert. Im Sinne der eingangs angehimmelten Poeten und Songwriter kann die Welt aus den Angeln gehoben werden, indem man die Begriffe vertauscht, die Richtung der Schwerkraft verändert und hohe Themen vom Sockel herunterholt.

Gegen einen Baum geheiratet // Eine Freundin von mir / Hat gegen einen Baum geheiratet / Und dann ist sie / In den Abgrund hinein schwanger geworden / Wir alle haben gewusst / Dass sie sich da in etwas verrennt. (38)

In diesem pfiffigen Gedicht machen sich die poetischen Adabeis gerüchtehalber über eine Kollegin her, sie steigern sich in eine Besserwisserei hinein und verwechseln am Schluss alles. Sie haben nämlich sicher gegen den Baum gebrunzt gemeint, aber im Unterbewusstsein brunzen mit heiraten verwechselt. - Grandios.

Im Ausklang der Sammlung ist schon zu ahnen, dass die Wildheit der Gedichte gebrochen werden muss, so können diese Gedichte nicht auf den Markt. Einmal geht die Angst um, dass die lyrische Ich-Frau von einem Literaturkritiker falsch gedatet werden könnte, dann bricht die übliche Panik aus, dass der Abgabetermin versäumt sein könnte, und am Schluss kommen die verdammten Rollenbilder wieder bei der falschen Tür herein:

„Während ich die Suppe am Herd umrühre“ (92). Wie der Struwwelpeter endet auch „Sagt die Dame“ in vollkommener Weite und Unendlichkeit. Zwei Frauen sind viele Kilometer unterwegs. „Heute geht an einer Küste im Wind / Viele Kilometer entfernt / Eine einsame Frau mit einem Hund / Und weil viele Kilometer weit sind / Ist sie besonders allein / Sie bleibt stehen und schaut auf das Meer / Und am selben Tag / Gehe ich im Wohnzimmer / Stundenlang im Kreis / Und weil viele Kilometer weit sind / Werden wir einander nie etwas erzählen.“ (93)

Das Gedicht wirkt nach und nach, bis man es mitsingt auch ohne Melodie.

Daniela Chana, Sagt die Dame. Gedichte
Innsbruck: Limbus Verlag 2018, 92 Seiten, 15,00 €, ISBN 978-3-99039-134-1

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Daniela Chana, Sagt die Dame
Literaturport: Daniela Chana

 

Helmuth Schönauer, 04-10-2018

Bibliographie

AutorIn

Daniela Chana

Buchtitel

Sagt die Dame

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

92

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-99039-134-1

Kurzbiographie AutorIn

Daniela Chana, geb. 1985 in Wien, lebt in Wien.