Lesen in und mit digitalen Medien: Auf die Strategie kommt es an

Laptop.jpgKinder und Jugendliche wachsen in einer von Medien bestimmten Lebensumwelt auf. Computer und Internet sind aus dem Lebensalltag der jungen Menschen nicht mehr wegzudenken. Aufwachsen im digitalen Zeitalter bedeutet allerdings nicht, dass Kinder und Jugendliche automatisch kompetent mit dem Computer und den damit verbundenen Informationstechnologien umgehen können. Die Jugendlichen, bei denen besonderer Förderbedarf im Bereich der Medienbildung besteht, sind dieselben, die auch bei der Lesekompetenz, der Basis für jegliche Form der Mediennutzung, Unterstützung benötigen. Moderne Medienerziehung kann nur auf zuverlässiger Lesekompetenz aufbauen, weil die Nutzung der gesamten Medienvielfalt einen souveränen Umgang mit Schrift, Bild und Dynamik voraussetzt.

Die Qualität der Mediennutzung wird entscheidend sein. Das bedeutet, in welchem Ausmaß Kinder und Jugendliche die Kompetenz besitzen, sich im Internet zielgerichtet Informationen zu holen und diese mit kritischem Blick zu bewerten. Den Jugendlichen die Kompetenz zu vermitteln, sich „in großen Räumen zu orientieren und Kleingedrucktes konzentriert zu suchen“ (Falschlehner 2014, 18), ist die Kernaufgabe des schulischen Unterrichts. Auch wenn das analoge und digitale Lesen viele Gemeinsamkeiten aufweist, so stellt das Lesen von Hypertexten im Internet spezifische Anforderungen an die Lesenden. Hypertexte weisen eine Verzweigungsstruktur auf, bei der Informationen nicht wie beim sequentiellen Printtext in einer vorher festgelegten Reihenfolge erscheinen, sondern nach selbst festgelegten Pfaden aufgenommen werden (Philipp 2015, 33). Schüler/Schülerinnen müssen daher durch die nichtlineare Textstruktur kontinuierlich selbst festlegen, nach welcher Information sie als nächstes suchen, zudem eigenständig bestimmen, ob die gefundene Information der gesuchten entspricht, und letztendlich diese zu einer kohärenten Wissensstruktur verarbeiten sowie darüber hinaus Wissen über die Verknüpfungsstrukturen und Navigationsmöglichkeiten haben (Bannert 2007, 11). Um diesen Anforderungen gewachsen zu sein, brauchen die Schüler/Schülerinnen ein systematisches und explizites Strategietraining und die Vermittlung von speziellen Techniken des Hyper-Readings. Philipp (2012, 89) konstatiert, dass die Sekundarstufe I ein „günstiges Zeitfenster“ für den expliziten Einsatz von Lesestrategien darstellt.

Techniken des Hyper-Readings: Skimming und Scanning

Skimming und Scanning sind zwei unterschiedliche Schnell-Lesetools, die es ermöglichen, einem Sachtext im Überblick die wichtigsten Informationen zu entnehmen. Skimming (to skim = abschöpfen) hat zum Ziel, sich ausgehend von hervorgehobenen Textteilen, Überschriften, Bildern, Grafiken etc. einen ersten Überblick zu verschaffen und die wesentlichen Inhalte zu entnehmen. Es ist nicht wichtig, jedes Wort im Detail zu verstehen, sondern vielmehr eine erste Orientierung zu bekommen. Mögliche Fragestellungen („Um welche Textart handelt es sich? An wen richtet sich der Text? Wer hat den Text geschrieben? Was ist die Intention der Autorin/des Autors – Information, Unterhaltung, Unterweisung?) können richtungsweisend sein. Erst nach der Orientierungsphase erfolgt die Entscheidung, ob der vorliegende Text die nötigen Informationen enthält und im Detail gelesen wird. Skimming ist jedoch kein willkürlicher Prozess, bei dem die Augen ziellos über den Text springen. Eine effektive Technik ist das Filtern der gesuchten Informationen an zentralen Stellen, wie bspw. im ersten oder letzten Satz eines Absatzes, in der Headline, im Vorspann oder am Ende eines Textes in der Conclusio usw.

Scanning (to scan = flüchtig ansehen, überfliegen) bedeutet fokussierende, selektive Suche nach bestimmten Informationen. Ziel ist es, die Daten und Fakten auf der Hintergrundfolie von zuvor bereits gestellten Fragen aufzufinden. Beim Scanning heißt es: „Scheinwerferlicht auf das Zielobjekt“ legen. Ausgehend von der erwünschten Information den Text „abscannen“ und überlegen, welche Lexik bei der Antwort vorkommen könnte. Auf der Suche nach biografischen Daten einer historischen Persönlichkeit liegt bspw. die Konzentration auf Jahreszahlen und Ortsangaben, bei der Erarbeitung eines Themas über die Problematik der Umweltverschmutzung erfolgt die „Scheinwerfersuche“ nach dem Wortfeld „Natur und Umwelt“. Auch der Blick auf grammatikalische Gegebenheiten (Tempus, Genus Verbi, Modi usw.) kann helfen, die relevanten Informationen im Text leichter aufzufinden.

Die Jugendlichen können mit der Anwendung dieser beiden Techniken erkennen, dass es möglich ist, in angemessener Lesezeit Textstellen mit den gewünschten Informationen aufzufinden, ohne sich im „Universum Internet“ zu verlieren. Sie sollen aber auch darauf hingewiesen werden, dass sie mit einem Restrisiko konfrontiert sind, auch einmal eine wesentliche Information zu überlesen. Dies ist aber allemal besser als ein möglicher vollständiger Leseabbruch, der aufgrund von Überforderung passieren kann, wenn die Leser/Leserinnen mit großen Informationsmengen konfrontiert werden.

Anschließend muss aber auch in den Modus des Close Readings gewechselt werden, wenn es um das Erschließen eines konkreten Texts und dessen (komplexer) Inhalte und Zusammenhänge geht.

Close Reading

Mit der Anwendung der beiden Lesetools Skimming und/oder Scanning ist schon einiger „Leseballast“ aussortiert. Das intensive lernende Lesen konzentriert sich auf den eruierten Text bzw. Textabschnitt. Die Schüler/Schülerinnen sollen nun leise und konzentriert lesen. Dieser stille Leseakt ist eine wichtige Voraussetzung für die Ermittlung der zentralen Frage: „Was ist die Kerninformation dieses Textabschnitts?“

Eine wichtige Aufgabe des Leseunterrichts ist die Bewusstmachung, welche Techniken es gibt, wie man sie durchführt und wann sie eingesetzt werden. Dieses Drei-Phasen-Schema ist ein Texterschließungsverfahren, das vom ersten groben Überblick über relevante Textteile immer fokussierter hin zu den wichtigen Informationen führt.

Verankerung zeitgemäßer Lesedidaktik im Fachunterricht

Digitales Lesen ist ein großes gesellschaftlich relevantes, pädagogisch-didaktisches Thema. Der Unterricht in der Schule muss sich dem stellen und eine solide Basis für diese Form des Lesens legen, damit alle Jugendlichen mit annähernd gleichen Ausgangsvoraussetzungen chancengerecht an der sich ständig verändernden Welt aktiv teilhaben können.

Literatur:                                                                                                                                                                                                                                                     

Bannert, Maria (2007): Metakognition beim Lernen mit Hypermedien. Münster: Waxmann.

Falschlehner, Gerhard (2014): Die digitale Generation. Jugendliche lesen anders. Wien: Ueberreuter.

Philipp, Maik (2012): Was wirkt? Zehn Prinzipien einer nachweislich effektiven Lese- und Schreibförderung. In: Philipp, Maik & Schilcher, Anita (Hrsg.): Selbstreguliertes Lesen: Ein Überblick über wirksame Förderansätze (59–86). Seelze: Klett Kallmeyer.

Philipp, Maik (2015): Lesestrategien. Bedeutung. Formen und Vermittlung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.

BildquelleJasmine Seeberger (http://bilder.tibs.at/node/43261)
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