olaf b. rader, kaiser karl der vierte„Von Auserwähltheit geradezu «durchtränkt»: so möchte ich das Leben Karls in diesem Buch deuten und beschreiben. Seine Überzeugung, auserwählt zu sein, bedeutete ja nicht, dass sich der Monarch als passives Werkzeug des Herrn sah und sich in seinen Handlungen eigener Entscheidungen enthoben glaubte, sondern im Gegenteil, dass er mit seinen Fähigkeiten dem Willen Gottes Geltung verschaffen wollte, soweit es in seinen Kräften stand.“ (S. 20)

Karl IV. gilt als ebenso widersprüchliche wie eindrucksvolle Figur auf dem Thron des römisch-deutschen Kaisers im Spätmittelalter. Im ambivalenten Urteil der Geschichtsschreibung der Gegenwart liegen seine Mittel zur Durchsetzung seiner politischen Ziele zwischen dem wiederbeleben alter und bewährter Praktiken und neuen, in die Zukunft weisenden Methoden.

gerda hofreiter, verstossen„Wer sind die „Helden“ der Geschichten? Weil im Gau Tirol-Vorarlberg relativ wenige Juden lebten, ist es möglich, einen kompletten Personenkreis zu erfassen und damit statistische Aussagen zu treffen. So kann man auch von einer leicht lesbaren Prosopografie sprechen. Es wurde ein Sample ausgewählt, das sich durch Ort und Zeit definiert und das nun 101 Personen umfasst …“ (S. 11)

Gerda Hofreiter erzählt in ihrem zeithistorischen Sachbuch von der Geschichte und dem Schicksal von 101 jüdischen Tiroler und Vorarlberger Kindern und Jugendlichen während der Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus in Österreich, die sie in einen breiteren historischen Kontext einbettet.

anton prock, die tiroler habsburger„Wer heute durch Innsbruck schlendert, stößt auf zahlreiche Erinnerungen an die einstigen Landesfürsten. Der Neuhof, verschiedene Klöster, der Vorgängerbau der heutigen Hofburg, Schloss Ambras, die Jesuitenkirche, die Mariahilfkirche, der Leopoldsbrunnen, das Grabmal Erzherzog Maximilians III. des Deutschmeisters im Dom sowie seine Eremitage im Kapuzinerkloster und vieles mehr zeugen von ihrer Herrschaft. (S. 8)

Über knapp 260 Jahre bestimmten die Tiroler Habsburger über Tirol und die Vorlande, dem habsburgischen Streubesitz westlich des Arlbergs. Damit erlebte die Grafschaft Tirol zahlreiche Veränderungen, wie z.B. die Verlegung des Regierungssitzes von Meran nach Innsbruck, das als Zentrum der Politik und als Schnittstelle in alle Himmelsrichtungen in dieser Zeit stark an Bedeutung gewinnen konnte.

goran vojnovic, 18 kilometer bis ljubljanaWie viel Platz braucht eine Kultur, um Fuß zu fassen? Gibt es so etwas wie kreativ-tektonische Bodenplatten, die Kultur erzeugen, wenn sie aneinander reiben? Kann das Individuum seine Kultur selber wählen oder fällt diese einfach über einen her, wenn man bestimmten Boden betritt?

Goran Vojnović schreibt abermals einen soziokulturellen Roman aus der Vorstadt von Laibach. Der Held Marko aus dem Jahr 2008 (Tschefuren raus!) ist längere Zeit in Bosnien gewesen und kommt im neuen Roman „18 Kilometer bis Ljubljana“ (2023) zurück in das Stadtviertel Fužine, um zu sehen, dass nichts mehr ist wie früher.

sepp mall, ein hund kam in die KücheBald werden wir wandern! – Ein Kind deutet die brutale Sprache der Erwachsenen immer so, dass es sich noch aushalten lässt. Der brachiale Begriff vom Auswandern wird für einen Augenblick gemildert, bis er vielleicht wieder von selbst verschwindet.

Sepp Mall vergrößert den Blickwinkel auf die „Option der Südtiroler“, indem er den Stoff für diesen historischen Roman auf ein Kammerstück herunterbricht. Anhand einer Kleinfamilie, die sich 1942 für das Weggehen aus Südtirol entschlossen hat, zeigt sich, wie etwas unten ankommt, was oben entschieden wird. Verschärft wird diese intim-brutale Sicht noch durch einen elfjährigen Ich-Erzähler, der die Ereignisse nehmen muss, wie sie chronologisch kommen.

andreas maier, die heimatVielleicht besteht die Heimat darin, dass ständig Menschen eingeheimatet werden. In der Tiroler Literatur jedenfalls werden ununterbrochen Schriftsteller eingemeindet, damit jene hohe Qualität gehalten werden kann, die von sogenannten Einheimischen allein nie getragen werden könnte.

Andreas Maier gilt gemeinhin als der Schriftsteller der Wetterau. Diese Gegend hinter Frankfurt am Main hat er literarisch hoffähig und international bekannt gemacht. Das Schreiben perfektioniert hat er freilich während seiner Aufenthalte in Südtirol, wo er mit dem internationalen Provinzroman „Klausen“ (2002) eine unübersehbare Markierung gesetzt hat. Seit diesem Roman gilt er als Geheim-Tiroler mit allen Heimatrechten.

antonio fian, präsidentenliederDie Literatur ist immer in Bewegung, sie lässt sich als solche kaum fassen, am ehesten bleibt sie in Lektüre-Reusen und an Fliegen-Ködern hängen, wenn sie nicht überhaupt ausgetrocknet ist wie viele Gewässer bei den Fischen.

Im Herbst blättern die letzten Bücher-Fans die Kataloge durch, scrollen sich durch Themenlisten und versuchen sich zurechtfinden. Während früher einmal Literatur zur Integration einer Gesellschaft geführt hat, indem man neugierig auf die Themen des anderen war, ist sie gegenwärtig vollends auf Segregation auf. Jede Klientel pflegt ihre eigene Literatur und beachtet thematische Abschweifungen höchstens unter dem Aspekt von Cancel Culture.

alexander marguier, der selbstbetrug„Nach den schlimmen Erfahrungen der früheren Jahre wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die Asylrechte weit gefasst und im nationalen Recht verankert. Damit wurden die Menschenrechte zwar von einer abstrakten Idee zu einem einklagbaren Anspruch. Aber es blieb weiterhin ungeklärt, wie diese Ansprüche aufrechterhalten werden können, wenn der liberale Rechtsstaat nicht als Ziel aller gesellschaftlichen Entwicklung akzeptiert wird, und wie die Ansprüche erfüllt werden können, wenn sie massenhaft gestellt werden.“ (S. 18)

Der Sammelband „Der Selbstbetrug“ bietet zehn Beiträge zum Thema „Migrationspolitik“, in denen das Thema aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet wird. Dabei wird die gegenwärtige Politik in Deutschland und der EU kritisch bewertet aber auch die Probleme des gegenwärtigen Asylsystems aufgezeigt.

hans werner goetz, kontroversen in der jüngeren Mediävistik„Überblickt man das vorgeführte, noch höchst unvollständige und oft nur angedeutete Spektrum, dann haben Kontroversen unterschiedliche Entstehungsursachen: Sie resultieren, als Debatten zwischen Weiterentwicklung und Beharren, teils aus dem Wandel der Geschichtswissenschaft bzw. der Mediävistik und somit auch aus dem Zeitgeist, aus veränderten Bedürfnissen und anderen Fragestellungen, die zum Widerspruch derer führen, die am Bisherigen festhalten […], teils aber auch aus dem Anspruch neuer Richtungen, die Geschichtswissenschaft insgesamt zu bestimmen.“ (S. 46)

Der Wandel in den wissenschaftlichen Methoden, Ansätzen, Themenstellungen und Interessenslagen führt naturgemäß zu Debatten, manchmal auch Streit, der nicht selten zwischen sich ablösenden Forschergenerationen ausgetragen wird. Dabei bleibt auch die Geschichtswissenschaft vom gesellschaftlichen und politischen Wandel und dem Aufkommen neuer Maßstäbe nicht unberührt, die sich auch im Sammelband zu den „Kontroversen in der jüngeren Mediävistik“ niederschlagen.

michael maset, the origins of the cold war“When historians talk about the “origins” of historical events such as the Cold War (which describes a state of hostility between the USSR and the Western powers from 1945 to 1991), they make use of an important historical thinking concept that helps them to understand historical change – they analyse cause and consequence.” (S. 4)

Angesichts des Ukrainekrieges gewinnt der historische Rückblick auf die Zeit des Kalten Krieges, bei dem sich die Mächte des Ostens und Westens gegenseitig mit dem Einsatz von Atomwaffen bedrohten, an Bedeutung. Das für den Englisch- und Geschichtsunterricht aufbereitete Sachbuch „The Origins of the Cold War“ geht den Ursachen und Folgen des Kalten Krieges in englischer Sprache nach.