Neil Gaiman, Coraline
„Während Coraline noch überlegte, ob sie Licht machen sollte oder nicht, sah sie das schwarze Ding langsam unter dem Sofa hervorkriechen. Es hielt inne und sauste dann lautlos über den Teppich in die hinterste Zimmerecke. In dieser Ecke standen keine Möbel. Coraline machte das Licht an. In der Ecke war nichts. Nur die alte Tür, die zu der Backsteinmauer führte.“ (S. 19)
Coraline verbringt die letzten Wochen vor Schulbeginn in der Wohnung eines neuen Hauses, in das ihre Eltern gezogen sind. In der Wohnung unter ihnen wohnen die beiden alten Schauspielerinnen Miss April Spink und Miss Miriam Forcible mit ihren Terriern. Da Coraline es liebt, neue Entdeckung zu machen, beginnt sie den großen verwilderten Garten und das Haus zu durchstöbern, wo sie plötzlich hinter einer Tür eine zugemauerte Tür entdeckt, die ihre Neugierde weckt.
Während Coraline langweilig ist, sind ihr Vater und ihre Mutter ständig mit ihrer Arbeit beschäftigt und fühlen sich von ihrem Kind genervt. Eines Abends wird Coraline von merkwürdigen Geräuschen am Einschlafen gehindert und sie glaubt einen Schatten den Flur entlang huschen zu sehen. In der Nacht träumt sie von schwarzen Gestalten mit kleinen roten Augen und spitzen Zähnen, die ein merkwürdiges Lied singen.
Am nächsten Tag besucht Coraline die beiden alten Damen im Untergeschoß und Miss Spink, die ihren Namen immer falsch ausspricht, beschließt Coralines Zukunft aus den Teeblättern in der Tasse zu lesen.
„Weißt du, Caroline“, sagte sie nach einer Weile, „du befindest dich in großer Gefahr.“ (S. 26)
Zum Schutz gibt Miss Spink dem Mädchen einen Stein mit einem Loch in der Mitte.
„Sowas ist manchmal gut, wenn einem etwas Böses begegnet.“ ( S. 28)
Während Carolines Vater für ein paar Tage nach London reist und ihre Mutter einkaufen geht, öffnet sie neuerlich die Tür, hinter der die Mauer verschwunden ist und sich ein langer dunkler Flur befindet. Mit einem mulmigen Gefühl geht sie den Korridor entlang, der ihr merkwürdig vertraut erscheint. Sie bemerkt, dass sie bei sich zu Hause ist und die ihre Wohnung gar nicht verlassen hat. In der Küche trifft sie auf ihre Mutter, die jedoch größer und dünner und deren Haut weiß wie Papier ist. Die Frau stellt sich als ihre „andere Mutter“ vor.
Die Welt der anderen Familie erlebt Coraline als wunderbare Traumwelt in der zahlreiche ihrer Wünsche in Erfüllung gehen. Sie trifft auf eine schwarze Katze, die sprechen kann und am Ende bieten ihre anderen Eltern Coraline an, für immer bei ihnen zu bleiben. Sie muss aber bereit sein, ihre Augen durch Knöpfe ersetzen zu lassen. Coraline lehnt ab und geht in die Wohnung ihrer richtigen Eltern zurück. Dort muss sie jedoch feststellen, dass ihre Eltern verschwunden sind. Sie beschließt ihre Ängste zu überwinden und ihre richtigen Eltern aus der Gewalt der „anderen Eltern“ zu befreien.
Neil Gaiman lässt seine junge Heldin in einer alptraumhaften bildgewaltigen Fantasy-Welt gefährliche Aufgaben und Abenteuer bestehen, bei denen sie mit viel Mut und Witz all ihre Ängste überwinden muss.
Die Handlung der Geschichte überzeugt durch ihre Erzähldichte und kraftvollen und starken Charaktere. Die nicht weniger eindrucksvoll gestalteten Illustrationen machen das überaus lesenswerte Kinder- und Jugendbuch zu einem spannenden und lange nachwirkenden Leseabenteuer.
Neil Gaiman, Coraline. Ill. v. Aurélie Neyret, übers. v. Cornelia Krutz-Arnold [Orig. Titel: Coraline], ab 10 Jahren
Würzburg: Arena Verlag 2021, 176 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-401-60646-0
Weiterführende Links:
Arena Verlag: Neil Gaiman, Coraline
Wikipedia: Neil Gaiman
Wikipedia: Aurélie Neyret (frz.)
Arbeitskreis Jugendliteratur: Cornelia Krutz-Arnold
Andreas Markt-Huter, 17-05-2022