Jože Javoršek, Primož Trubar

joze javorsek, primoz trubarDamit sich ein Staat gegenüber anderen Staaten legitimieren kann, braucht er neben Fahnen, Verfassung, Verteidigung und Währung auch den Nachweis, dass er lesen und schreiben kann. Ursprünglich mussten nur Kirchenleute und Kriegsherrn nachweisen, dass sie zumindest Urkunden lesen können, in demokratisch organisierten Gebilden ist es unumgänglich, dass es auch eine Literatur gibt, die aus dem Volk für das Volk gemacht wird.

Wie dringend dieser Nachweis für einen neuen Staat ist, merkt man beispielsweise bei den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Zwar brodelte es als Nationalismus schon länger im Vielvölkerstaat, aber für die Unabhängigkeit war immer der Nachweis einer eigenen literarischen Identität vonnöten.

So ist es kein Wunder, dass sich Slowenien spätestens für den 400sten Todestag seines Sprach- und Literaturstifters dazu entschließt, bis 1986 den Bildungspionier Primož Trubar für die Gegenwart zu erschließen und zu einem sprachlichen Fahnenträger für die neue Republik auszurufen. So erscheint 1977 ein biographischer Roman, in dem in kleinen Episoden das Leben und Wirken eines Menschen geschildert wird, der um 1550 neben seiner Tätigkeit als evangelischer Kirchenmann vor allem als Erwachsenenbildner in Erscheinung getreten ist.

Selbst nach vier Jahrhunderten wird jeder in der Erwachsenenbildung tätige Leser zugeben, dass es eine aussichtslose Sache ist, wenn man ohne Sprache und Stoff ein bildungsfernes Volk unterhalten und zu guter Zukunft anleiten soll. Die Aussichtslosigkeit zeigt eine Nebenbemerkung im Nachwort. Die kroatischen Kirchenleute hatten in Dubrovnik immerhin Venedig zu Gast und somit Anschluss an den Weltgeist, in Laibach hingegen gab es nicht einmal eine Sprache für die wichtigsten Themen des Alltags.

Ganz im Sinne Luthers plant Trubar ursprünglich, die Bibel ins Slowenische zu übersetzen, aber vor allem für geistige Begriffe fehlen einfach die Wörter. So ediert er schließlich 1550 in Tübingen das erste slowenische Buch, „Catechismus in der Windischen Sprach“. Darin sind Regeln des religiösen Lebens, Überlebenstricks, Listen für das gelungene Leben, Empfehlungen für den sozialen Umgang untereinander und Fallgeschichten aus der Bibel enthalten. Ein besonderes Augenmerk gilt der Unterhaltung mit heilsamen Plots. Diese Didaktik führt zu einem besonderen Erzählstil, welcher der slowenischen Seele sehr nahekommt. Die mehrdeutigen Begriffe werden in emotionaler Mehrschichtigkeit aufgefächert, wo es keine passenden Wörter gibt, empfiehlt er welche zu erfinden und keinesfalls auf kroatische Hilfsbegriffe auszuweichen. Schlichtheit und Emotionalität sind die Grundlage für das erste slowenische Buch, das natürlich in seiner Anwendung einem ersten Lexikon gleichkommt. Denn was nicht im Trubar-Katechismus steht, ist offensichtlich an der Bruchstelle zwischen Endrenaissance und aufkeimendem Barock noch nicht als Wortschatz vorhanden.

Was manchmal als Barockizismus erscheint, ist in Wirklichkeit die pure Hilflosigkeit, einen komplizierten Sachverhalt in einem Satz unterzubringen.

Im Stile des ersten Buches verfasst 1977 der Kulturphilosoph Jože Javoršek einen biographischen Roman, ein Glücksfall für die slowenische Kultur, denn er versucht dem emotionalen Bildungsgedanken des Helden gerecht zu werden, indem er dessen Leben in 31 Episoden nacherzählt. Das letzte Kapitel heißt berührend: „Trubar nimmt Abschied von den Slowenen.“

Zur staatstragenden Erfolgsgeschichte dieses Romans gehört es auch, dass er 2011 ins Deutsche übersetzt wird, gleichzeitig nimmt ihn der Wieserverlag in den Fundus seiner Slowenischen Bibliothek auf.

Allein im Nachwort steht mehr slowenische Geschichte drin, als ein österreichischer Leser wahrscheinlich je gesehen und gedacht hat. Auch wenn einem die einzelnen Namen nicht unbedingt sofort etwas sagen, erzählen sie alle von der tollen Idee, mit den Menschen in Slowenien einen eigenen Staat zu machen. Manchmal schafft es ein einzelnes Buch, dass ein ganzes Land zum Freund des Nachbarlandes wird.

Jože Javoršek, Primož Trubar. Biographischer Roman. A. d. Slowen. von Richard Götz und Meta Wakounig [Orig. Primož Trubar , Ljubljana 1977]
Klagenfurt, Wieser Verlag 2020, 250 Seiten, 21,00 €, ISBN 978-3-99029-398-0

 

Weiterführende Links:
Wieser Verlag: Jože Javoršek, Primož Trubar
Wikipedia: Jože Javoršek
Wikipedia: Primož Trubar

 

Helmuth Schönauer, 12-01-2022

Bibliographie

AutorIn

Jože Javoršek

Buchtitel

Primož Trubar. Biographischer Roman

Originaltitel

Primož Trubar

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2020

Verlag

Wieser Verlag

Übersetzung

Richard Götz / Meta Wakounig

Seitenzahl

250

Preis in EUR

21,00

ISBN

978-3-99029-398-0

Kurzbiographie AutorIn

Jože Javoršek, geb. 1920 in Velike Lasce, starb 1990 in Ljubljana.

Trubar (1508 – 1586) gilt als Begründer des slowenischen Schrifttums.