Helmuth Schönauer, Outlet

helmuth schönauer, outlet„»Wenn du keine Shortstory zusammenbringst, stecken wir dich ins Altersheim!« Die Kinder sind gnadenlos, zumal sie gut ausgebildet sind. Sie haben Entertainment, Psychologie, Theologie und Politikwissenschaft studiert, lauter Fächer, die den Vater in die Verwahrung bringen können, wenn er nicht mehr richtig drauf ist auf seiner blassen Lebensspur.“ (S. 7)

Der Ich-Erzähler ist pensionierte Bibliothekar und von da her schon immer auf Du und Du mit Geschichten. Aber jetzt gerät er unter finalem Lebensdruck, muss er doch jeden Monat mit einer Kurzgeschichte unter Beweis stellen, dass er noch nicht die nötige Demenz für das Altersheim erreicht hat.

Eingebettet in eine, je nach eigenem Altersstand, lustige bis bedrohliche Rahmenhandlung erleben die Leserinnen und Leser Beobachtungen, Kommentare und Bemerkungen zu scheinbar alltäglichen Ereignissen rund um Innsbruck und die Welt, die durch ihre spezielle Perspektive und Assoziationen oft überraschende Bilder erschaffen.

So wird gezeigt, wie sich mit Hilfe von Google Short Story kreieren lassen, welche die Kriterien „kurze Sätze mit anglizistischem Touch“ erfüllen. Dies gelingt mit Hilfe der Methode der doppelten Übersetzung mit Google. Dazu wird ein Satz mit Hilfe der Google Übersetzung ins Englische und in einem eigenen Vorgang der englische Text wieder zurück ins Deutsche übersetzt.

Die Kurzgeschichte „Leerlauf“ entführt in die Welt der Bibliothekare, Germanisten und „Inns|Loch“ vom Leben im Lärm des Straßenverkehrs und der Böllerschüsse und auch eine schräge Frisur kann Ausgangspunkt für eine schräge Kurzgeschichte werden. „Landräumung“ setzt sich mit dem Schicksal der Wipptaler auseinander.

„Das Wipptal ist human-geologisch gesehen jetzt ein einziges Geschluchze.“ (S. 26)

Dabei heulen Menschen mit LKW-Motoren um die Wette und den Bewohner bleibt am Ende nur mehr die Abwanderung, wenn sich die EU mit der Tourismuswirtschaft geeinigt hat. Dabei könnten die abgewanderten Wipptal hervorragend als dringend benötigten Personal in der Küche und als Zimmermädchen in den Tiroler Touristentälern untergebracht werden.

Auch die Corona-Krise schlägt sich in den Kurzgeschichten hintergründig nieder, wenn in „Wie warm, wie Winter!“ sich eine Hoteliersfamilie Gedanken über ihre Zukunft macht, ihren früheren Alltag Revue passieren lässt und sich die Sinnfrage stellt. Oder in „Zombie-Post“, wenn Künstler, die in besseren Zeiten noch den Staat verhöhnen konnten, in den Zeiten der Krise, diesen reumütig um Hilfe bitten müssen.

Auch in den anderen Kurzgeschichten werden Beobachtungen aus dem Alltag gezielt aufs Korn genommen, wobei das an den „Trumpismus“ angelehnte, laute und schrille Gepolter der heimischen Seilbahn- und Transportwirtschaft ebenso Thema wird, wie die eigenwillige Diskursfähigkeit der Grünen oder die besondere ORF-Berichterstattung aus Osttirol.

Mit viel Augenzwinkern und Humor sammelt Helmuth Schönauer seine Alltagsbeobachtungen und dreht sie durch seinen literarischen Fleischwolf. Die dabei herauskommende Masse ist vom üblichen Kontext der medialen Weltsicht befreit und satirisch neu verpackt, um einen ebenso spannenden wie unterhaltsamen Blick auf Tirol und die Welt zu eröffnen. Untermalt werden die insgesamt 24 Kurzgeschichten mit aussagekräftigen und beeindruckenden Kunstfotografien.

Ein überaus lesenswertes Buch, das zum Nachdenken ebenso anregt wie zum Lachen, auf alle Fälle aber ein unterhaltsames Lesevergnügen garantiert.

Helmuth Schönauer, Outlet. Shortstorys zum Überleben, Fotos v. Hannes Hofinger
St. Johann in Tirol: Johannes Hofinger Verlag 2021, 115 Seiten, 16,90 €, ISBN 978-3-9504205-8-6

 

Weiterführende Links:
Johannes Hofinger Verlag: Helmuth Schönauer, Outlet
Wikipedia: Helmuth Schönauer
Helmuth Schönauer: Ein Autor, Bibliothekar und Rezensent geht in Pension – Teil 1
Johannes Hofinger Verlag
Wikipedia: Hannes Hofinger

 

Andreas Markt-Huter, 06-10-2021

Bibliographie

AutorIn

Helmuth Schönauer

Buchtitel

Outlet. Shortstorys zum Überleben

Erscheinungsort

St. Johann

Erscheinungsjahr

2021

Verlag

Johannes Hofinger Verlag

Illustration

Hannes Hofinger

Seitenzahl

115

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-9504205-8-6

Kurzbiographie AutorIn

Helmuth Schönauer lebt in Innsbruck. Er beschreibt sich selbst als Einzelgänger, der keiner gängigen Strömung angehört und daher auch nur außerhalb des Literaturbetriebes als Schriftsteller wahrgenommen wird. Keine Preise, keine Stipendien, keine Subventionen! Sein Motto: »Schreiben, statt Ansuchen schreiben.« Seit 1982 veröffentlicht er regelmäßig Besprechung internationaler und österreichischer Gegenwartsliteratur in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet.

Hannes Hofinger wurde in St. Johann in Tirol geboren und ist ein österreichischer Schriftsteller, Fotograf, Bibliothekar und Verleger.