Monika Maslowska, Winterrot

monika maslowska, winterrotMagische Wörter zwingen dazu, die Eigen-Phantasie in Sekundenschnelle anzuregen und auszuleben. Das schöne „Winterrot“ ist voller Widerspruch, trifft doch die Kälte auf die Wärme. Der Raser wird an rotglühende Bremsscheiben denken, wenn er im Winter sein Fahrzeug gerade noch zum Stehen bringt, ein Poet wird von der untergehenden Sonne schwärmen, die gerade im Winter besonders erhitzt untergeht, und Outdoor-Freaks denken an rot angelaufene Nasen oder Wangen, wenn die Kälte ungebremst auf das Antlitz trifft.

Monika Maslowska denkt an diese poetischen Augenblicke, wenn eine Handlung in Einzelbilder zerfällt, eine Geschichte als Coverbild auf den Buchumschlag springt oder ein Seufzer zu einer Installation wird. In sechzig Sekunden rasen diese Geschichten durch die Ewigkeit und ergeben auf den ersten Blick nichts außer eine Minute. Dabei werden Sinnesorgane gereizt und in Sekundenschnelle bricht größte Heiterkeit oder Erregung aus.

So schauen im Vorspann zwei Faschingspinguine in entgegengesetzte Richtungen und fangen sich die Bemerkung ein:

Bruno und Berta gehören ordentlich durchgekitzelt.

Die Autorin, die als gefragte Buchillustratorin firmiert, entwickelt mit diesen Bildgedichten einen durchaus mitreißenden Stil, der Leser wird nämlich rechts immer von einer Porträt-ähnlichen Illustration in das Bild gesogen, derweil sich links ein kleiner Text aufbaut, ein Mittelding zwischen angehaltener Zeit und Bildunterschrift.

„Rosa sang und sang, bis die Angst verflog“, (30) heißt es einmal und an anderer Stelle gibt es den Kommentar:

Toms Körper war der Kompass. (54)

Die Sekundengeschichten lassen sich nämlich auch als Beschwörungsformeln lesen, mit denen man Angst vertreiben, einschlafen oder dahinsinnieren kann. Die Bilder werden dann zu schwarzweißen Zauberbildern, worin Schwerkraft, Zeit und Physik aufgehoben sind. So lässt es sich anstandslos auf einer Blume durchs Weltall fliegen oder in einem Boot ins Erdinnere treiben. Ein Geheimkünstler spielt mit seiner Mantelleiste, in die eine Harmonika eingenäht ist. In einer Anzugweste steckt ein Kind, das wie ein Känguru aus dem Brustschlitz lugt.

Und immer wieder diese schönen Sekundenschläge:

Sie war Holz. Er Streichholz.

Fast alle Figuren werden mit einem Namen angesprochen, so dass sie zu Leuten werden wie du und ich. Wenn man die Geschichten zum Vorlesen verwendet, kann man auch flunkern, und die Lieblingsnamen einsetzen.

Das Schlussbild ist besonders wichtig, denn es muss ja noch nachwirken, wenn das Buch schon längst geschlossen ist. Ein Liebespaar küsst sich auf einem Vogel aus Scherenschnitt und fliegt ans Ende der Welt

Winterrot ergibt eine farbige Geschichte, wiewohl die Bilder in Schwarz-weiß gehalten sind. Und allmählich tut sich eine zukunftssichere Geschichte auf, wenn man die Sekunden ablaufen lässt wie die Kaders bei einem guten Film, denn niemand braucht Angst zu haben.

Monika Maslowska, Winterrot. Sechzig Sekundengeschichten für eine Minute, Bildgedichte
Innsbruck: Limbus Verlag 2018, 128 Seiten, 16,00 €, ISBN 978-3-99039-137-2

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Monika Maslowska, Winterrot
Homepage: Monika Maslowska

 

Helmuth Schönauer, 20-10-2018

Bibliographie

AutorIn

Monika Maslowska

Buchtitel

Winterrot. Sechzig Sekundengeschichten für eine Minute, Bildgedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Limbus Verlag

Illustration

Monika Maslowska

Seitenzahl

126

Preis in EUR

16,00

ISBN

978-3-99039-137-2

Kurzbiographie AutorIn

Monika Maslowska, geb. 1977 in Warschau, kam als Neunjährige nach Tirol, lebt in Rum.