Kirsten Rüther, Afrika: genauer betrachtet

Titelbild: Kirsten Rüther,Afrika genauer betrachtet„Über den Schritt, Altbekanntes und Wohlvertrautes zu wiederholen und neu zuzuspitzen, soll dieses Buch hinausgehen. In erster Linie sollen womöglich vage geläufigen Themengegenständen, die unter das große Etikett »Afrika« fallen, mehr Dimensionen hinzugefügt werden.“ (10)

Die Berichterstattung über Afrika während der vergangenen Jahrzehnten hat das Bild eines Kontinentes verfestigt, das mit Dürre, Hungersnot, Bürgerkrieg und Flüchtlingskrise assoziiert wird, wo es mitunter schwerfällt, sich Menschen und Gesellschaften in ihrem Alltagsleben vorzustellen. Die Afrikawissenschaftlerin Kirsten Rüther unternimmt den spannenden Versuch afrikanischen Alltag jenseits der bekannten Stereotype zu skizzieren.

Die Autorin geht in ihrem Sachbuch ganz bewusst den Weg mit individuellen Erfahrungen und alltägliche Erlebnissen das Normale in afrikanischen Gesellschaften zu erzählen und nicht eine weitere objektive und neutrale Geschichte des Kontinents von den Anfängen bis in die Gegenwart zu schreiben.

Dieser persönliche Ansatz macht sich auch in den Inhalten der einzelnen Kapitel bemerkbar. Gleich zu Beginn wird die Frage beantwortet,

Was machen eigentlich Afrikawissenschaftler? Und wo machen sie das? (16)

Ein anderes Kapitel „African Time und die Obsession mit der Zukunft“ geht mitten hinein in das afrikanische Lebensgefühl, das westlichen Gemütern, mit einem Hang zur Pünktlichkeit und genauen Zeitmessung, besondere Probleme bereitet. Dabei erzählt die Autorin von einem Termin, der aufgrund eines Todesfalles um drei Wochen verschoben worden ist.

African Time ist nicht gleichbedeutend mit Unpünktlichkeit oder gar Unberechenbarkeit. Vielmehr erfordert sie, mit den Dingen zu schwimmen.

Das Thema „Migration und der Umgang mit Grenzen“ wird in einem eigenen Kapitel behandelt, wo auf verschiedene Untersuchungen verwiesen wird, welche die Migration als altes Phänomen afrikanischer Gesellschaften aufzeigt, das mit der Globalisierung eine neue Dimension entwickeln konnte. Dabei scheint die Migration vor allem ein „Phänomen männlicher Mobilität“ (47) zu sein.

Einen tieferen Einblick in den afrikanischen Alltag bieten Kapitel wie „Rhythmen der Stadt und des Wohnens“ (56) oder „Jugend – Kompass und Positionsbestimmung einer Gesellschaft“ (71), in dem die Lebenswelt jugendlicher Menschen in ihrem sozialen Umfeld beschrieben wird, wo ein 35-jähriger Mann mit Frau und Kindern noch als „nicht erwachsen“ gelten kann, wenn er z.B. die geforderte Brautgabe noch nicht entrichten konnte.

Weitere Kapitel setzen sich z.B. mit den Themen Religion, Macht und Alltagsbewältigung, Gesundheit, Bildung und Arbeit, Familie und Staat auseinander, wobei immer die Verbindung zwischen einem allgemeinen Blick und konkreten Erfahrungen und Personen gesucht wird.

Für alle, die sich für Afrika jenseits der Trampelpfade gängiger Klischees und Zeitungsmeldungen interessieren, lädt Kirsten Rüther Sachbuch „Afrika: genauer betrachtet“ zu einer überaus spannenden und unterhaltsamen Reise in einen wenig bekannten Kontinent ein.

Kirsten Rüther, Afrika: genauer betrachtet. Perspektiven aus einem Kontinent im Umbruch
Wien: Edition Konturen 2017, 207 Seiten, 26,80 €, ISBN 978-3-902968-24-1


Weiteführende Links:
Edition Konturen: Kirsten Rüther, Afrika: genauer betrachtet
Universität Wien: Kirsten Rüther

 

Andreas Markt-Huter, 02-07-2018

Bibliographie

AutorIn

Kirsten Rüther

Buchtitel

Afrika: genauer betrachtet. Perspektiven aus einem Kontinent im Umbruch

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Konturen

Seitenzahl

207

Preis in EUR

26,80

ISBN

978-3-902968-24-1

Kurzbiographie AutorIn

Univ.-Prof. Dr. Kirsten Rüther, ist Professorin für „Geschichte und Gesellschaften Afrikas“ am Institut für Afrikawissenschaften an der Universität Wien. Ihre Forschungsfelder erstrecken sich insbesondere auf die Geschichte religiöser Transformation im kolonialen und postkolonialen Afrika.