Joseph LeDoux, Bewusstsein. Die ersten vier Milliarden Jahre

joseph ledoux, bewusstsein - die ersten vier milliarden jahre„Bewusstsein - Die ersten vier Milliarden Jahre handelt von der Evolution des Verhaltens. Dabei geht es nicht nur um das Verhalten des Menschen oder anderer Säugetiere, nicht einmal nur um das von Tieren. Es geht darum, dass Verhalten schon anfing, sobald die allerersten Organismen entstanden waren.“ (S. 11)

Wie konnte sich im Zuge der Evolution der ersten vier Milliarden Jahre komplexes Leben entwickeln, das am Ende zum Bewusstsein menschlicher Spezies geführt hat. Das Sachbuch „Bewusstsein“ entführt seine Leserinnen und Leser auf eine Reise von den Anfängen des Lebens bis zum komplexen Gehirn von Säugetieren und Menschen.

Joseph LeDoux legt gleich zu Beginn offen, dass er der Frage nach der Entwicklung menschlichen Bewusstsein aus der Sicht des Neurowissenschaftlers nachgeht, der den Großteil seiner „wissenschaftlichen Karriere mit der Untersuchung von Schaltkreisen im Gehirn von Ratten verbracht“ (S. 17) hat. Diese Schaltkreise spielen auch im menschlichen Nervensystem und der Entwicklung von Bewusstsein eine zentrale Rolle. Dabei wird in den ersten Kapiteln der lange Entwicklungsweg von den Protobakterien bis zu LUCA, dem hypothetischen Vorfahren aller heutigen Lebewesen gezeichnet.

Im ersten Kapitel „Unser Platz in der Natur“ zeichnet die Geschichte der Wissenschaft von der Entwicklung des Lebens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nach. Neben Darwins Evolutionstheorie kommen Ernst Haeckels Anthropologie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen ebenso zur Sprache wie die Klassifizierung der Natur in der Wissenschaft. Anschließend werden zwei Methoden vorgestellt, wie die Evolutionsgeschichte rekonstruiert werden kann. Einmal durch fossile Überreste von Organismen, die zeitlich eingeordnet werden müssen. Der zweite Ansatz nimmt die moderne Genetik zu Hilfe und den Umstand, dass in den Genen von Organismen sich ihre Evolutionsgeschichte aufgezeichnet findet.

Das Kapitel „Überleben und Verhalten“ hat das Verhalten von Organismen vom einfachsten Reflex bis zum kognitiven Handeln sowie das Verhalten einzelliger Lebensformen zum Thema und im Kapitel „Mikrobielles Leben“ wird der Weg vom Ursprung des Universums bis zu den ersten organischen Lebensformen beschrieben. Die folgenden Kapitel zeigt die Evolution zu immer komplexeren Lebensformen, durch den Zusammenschluss von Einzellern und die Entstehung von Mehrzellern, den Eukaryoten. Die Evolution hat mit der sexuellen Revolution an Geschwindigkeit zugenommen und die vielfältigen Reiche der Pflanzen, Pilze und Tiere entstehen lassen.

Als nächster Schritt wird die Bedeutung der Entwicklung von Neuronen und Nervenzellen thematisiert, wie sie im Tierreich erfolgt ist und anschließend kommt die weitere Differenzierung in der Entwicklung der verschiedenen Tier-Stämme bis zum Neuro-Bauplan bei Wirbeltieren zur Sprache, womit die Darstellung sich immer mehr dem Verhalten und Bewusstsein von Lebewesen nähert, die auch als Grundlage des menschlichen Bewusstseins verstanden werden, das in den letzten Kapiteln im Mittelpunkt des Interesses stehen wird.

Am Ende wird der ausführlich der Frage nachgegangen, wie das Gehirn arbeitet, was es bedeutet, sich bewusst zu sein oder wie Erinnerungen und Wahrnehmungen zu verstehen sind. Aber auch komplexe Themen wie das „Problem des Fremdpsychischen“, bei dem es darum geht von Verhaltensreaktionen auf ein bestimmtes Bewusstsein zu schließen, was LeDoux bei Vergleich mit Tieren für problematisch hält. Im letzten Kapitel „Emotionale Subjektivität“ steht die Bedeutung und Rolle der menschlichen Gefühle sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Emotionen im Mittelpunkt. Neben der Zusammensetzung von Schaltkreisen und Netzwerken im Gehirn spielen dabei auch Bewusstseinszustände eine wichtige Rolle. Der abschließende Anhang umfass neben einer Zeitleiste zur Geschichte des Lebens, Anmerkungen, eine Auswahlbiografie, einen Illustrationsnachweis sowie ein Personen- und Sachregister.

„Bewusstsein. Die ersten vier Milliarden Jahre“ bietet eine spannend erzählte Einführung in die Entstehung und Entwicklung des ersten Lebens und macht die Grundlagen für die Weiterentwicklung komplexer Lebensformen verständlich. Komplexer wird die Sachlage, wenn das menschliche Bewusstsein und Emotionen untersucht werden. Joseph LeDoux orientiert sich bei der Frage nach der Entwicklung des Bewusstseins am Wissenschaftskonzept des Behaviorismus. Vergleiche und Schlussfolgerungen vom Verhalten auf das Bewusstsein zwischen Mensch und Tier erscheinen ihm zwar nachvollziehbar aber unwissenschaftlich. Damit nimmt LeDoux aber nur eine bestimmte Position gegenwärtiger Bewusstseinsforschung ein, gegen die es auch gute Gegenargumente gibt.

Trotzdem bietet das Sachbuch eine überaus lesenswerte und empfehlenswerte Einführung in die Entwicklung des Lebens und Bewusstseins, die komplexe Sachverhalte verständlich darstellt und Lust auf eine ausführlichere Beschäftigung mit dem Thema weckt.

Joseph LeDoux, Bewusstsein. Die ersten vier Milliarden Jahre. Ill. v. Caio Da Silva Sorrentino, übers v. Elsbeth Ranke / Sabine Reinhardus [Orig. Titel: The Deep History of Ourselves. The Four-Billion-Year Story of How We Got Conscious Brains]
Stuttgart: Klett-Cotta Verlag 2021, 472 Seiten, 28,80 €, ISBN 978-3-608-98331-9

 

Weiterführende Links:
Klett-Cotta Verlag: Joseph LeDoux, Bewusstsein. Die ersten vier Milliarden Jahre
Wikipedia: Joseph LeDoux

 

Andreas Markt-Huter, 12-05-2022

Bibliographie

AutorIn

Joseph LeDoux

Buchtitel

Bewusstsein. Die ersten vier Milliarden Jahre

Originaltitel

The Deep History of Ourselves. The Four-Billion-Year Story of How We Got Conscious Brains

Erscheinungsort

Stuttgart

Erscheinungsjahr

2021

Verlag

Klett-Cotta Verlag

Illustration

Caio Da Silva Sorrentino

Übersetzung

Elsbeth Ranke / Sabine Reinhardus

Seitenzahl

472

Preis in EUR

28,80

ISBN

978-3-608-98331-9

Kurzbiographie AutorIn

Joseph LeDoux ist ein US-amerikanischer Psychologe, der am Center for Neural Science an der New York University unterrichtet. Joseph LeDoux erforscht, welche Funktionen Angst in den menschlichen Nervensystemen auslöst. Er wurde vielfach ausgezeichnet und veröffentlichte den Weltbestseller "Im Netz der Gefühle".