Hans-Joachim Fischer, Frühgriechische Philosophie

hans-joachim fischer, frühgriechische philosophie„Die Reise ins anfängliche philosophische Denken ist deshalb so faszinierend, weil sie uns im Prozess der Aneignung auf die eigenen Anfänge zurückführt. Nirgendwo sonst – scheint mir – sind wir so sehr auf die Gründe zurückgeworfen, auf die alles Denken, auch unser eigenes Denken aufbaut, wie in dieser Rückbesinnung auf die Anfänge.“ (S. 9)

Die Auseinandersetzung mit den Anfängen des philosophischen Denkens bietet die Möglichkeit, auch die Grundlagen des eigenen Denkens zu entdecken, auf denen alles Denken basiert, das sich in bisher unbekannten Gefilden bewegt und keine sicheren Hinweise und Haltepunkte vorfindet.

Hans-Joachim Fischer verfolgt den Ansatz, das anfängliche philosophische Denken „nachzudenken“, zu wiederholen und nicht aus eigenen Vorstellungen heraus einzuordnen. Dabei erleben wir das „Nachdenken“ des anderen Denkens unvermeidlich als eine Entfernung von unserem eigenen Denken.

In diesem Sinne soll sich unser „Nachdenken“ als ein dialogischer Prozess vollziehen: als ein Versuch, das fremde im eigenen Denken zu artikulieren. (S. 10)

Die behutsam herantastende Aneignung nur mit Hilfe eines „offenen hermeneutischen Zirkels“ erfolgt als Annäherung, als ständiges hin- und herschwingen zwischen fremdem und eigenem Denken.

Nach einer kurzen Abklärung der Grundlagen der Überlieferung der frühgriechischen Philosophie wird zunächst das Denken der milesischen Philosophen, beginnend mit Thales von Milet, Anaximander und Anaximenes näher untersucht.

Weit umfangreicher fällt die Auseinandersetzung mit dem philosophischen Denken in Unteritalien aus, das von der ionischen Küste herrührt und neue, eigenständige Denkwelten entwickelt. Beginnend mit Xenophanes lässt sich das neue philosophische Denken besonders deutlich mit seiner Wendung von innen nach außen wahrnehmen. Die menschliche Erkenntnis tritt in den Horizont der Philosophie. Der Anstoß dazu kommt aus der lyrischen Poesie. Aus der Tradition altgriechischer Mysterien-Kulte entwickelt wiederum Pythagoras seine Idee einer „individuellen, unsterblichen Seele“ (S. 53). Parmenides wiederum bezieht alles philosophische Denken in die inneren Räume und lässt altes Denken als innen entstandene Irrtümer erscheinen. Als weiterer Philosoph Unteritaliens kommt Zenon von Elea zur Sprache

Mit Melissos von Rhodos und Heraklit von Ephesos kehrt die Philosophie mit einem neuen philosophischen Blickwinkel wieder in der Osten der griechischen Welt zurück, wobei Heraklit mit seinem Begriff des Logos eine neue Dimension des philosophischen Denkens eröffnet, der alles menschliche Denken binden soll.

Im dritten Kapitel wird der Weg des philosophischen Denkens von Unteritalien auf das griechische Festland beleuchtet. Er führt von Agrigent in Sizilien nach Athen und Abdera auf das griechische Festland, aber auch wieder an die Ionische Küste. Bei Empedokles geht die Philosophie eine tiefe Verbindung mit dem göttlichen ein, die voll Bildern, Gleichnissen und Erzählungen sich dem Gott in seiner Jenseitigkeit zu nähern versucht. Leukipp und Demokrit lassen im Gegensatz dazu, die Welt, ohne göttliches Einwirken, aus sich selbst heraus entstehen. Mit Anaxagoras, der die unterschiedlichen Ansätze zu verbinden sucht, betritt Athen die Bühne der philosophischen Zentren.

Hans-Joachim Fischer gelingt es mit viel Einfühlungsvermögen, das Denken der alten Philosophen anhand von Fragmenten und Überlieferungen zu vermitteln. Dabei werden Begriffe, kulturelle Lebenswelt und religiöse Umwelt aufgezeigt, vor denen sich das philosophische Denken vollzieht und zu verstehen ist.

„Frühgriechische Philosophie. Den Anfang nachdenken“ bietet eine Fülle an Hintergrundwissen und Hinweisen, die für ein „Nachdenken“ der Anfänge des philosophischen Denkens nötig sind. Die detaillierten Analysen der philosophischen Texte und ihr Bezug zum historischen und kulturellen Umfeld machen das Sachbuch zu einem „Muss“ für alle an den Anfängen der Philosophie interessierten Leserinnen und Leser.

Hans-Joachim Fischer, Frühgriechische Philosophie. Den Anfang nachdenken
Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2022, 559 Seiten, 45,20 €, ISBN 978-3-17-042212-4

 

Weiterführende Links:
Kohlhammer Verlag: Hans-Joachim Fischer, Frühgriechische Philosophie
Wikipedia: Hans-Joachim Fischer

 

Andreas Markt-Huter, 05-04-2022

Bibliographie

AutorIn

Hans-Joachim Fischer

Buchtitel

Frühgriechische Philosophie. Den Anfang nachdenken

Erscheinungsort

Stuttgart

Erscheinungsjahr

2022

Verlag

Kohlhammer Verlag

Seitenzahl

559

Preis in EUR

45,20

ISBN

978-3-17-042212-4

Kurzbiographie AutorIn

Prof. Dr. em. Hans-Joachim Fischer ist Erziehungswissenschaftler und war Professor für Grundschulpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Neben pädagogischen und wissenschaftsdidaktischen Schwerpunkten forscht er zur Geschichte der Naturphilosophie.