C. H. Huber, Die Vögel reden wieder miteinander

c.h. huber, die vögelGerade als allenthalben die Vögel ausgerottet werden und somit bald die Lyrik verschwunden sein wird, denn die Lyrik lebt von den Vögeln, taucht eine optimistische Botschaft auf: Die Vögel reden wieder miteinander.

C. H. Huber besticht seit Jahrzehnten mit ihrem zuversichtlichen Ton, der vor allem über drei fundamentale Motive gespannt ist: Süden, Erotik und Anrücken eines großen Herbstes. Im aktuellen Lyrikband sind diese Themen fünf Gedankenkreisen zugeordnet:

jetzt. oder so / noch nicht jenseits von / r & r / body and / im süden. oder so.

Dabei ist durchaus ein semantisches Zwitschern aus den beiläufigen Zeilen herauszuhören, die Vögel sind emsig am Werk.

„Jetzt. oder so“ ist ein beiläufiger Zustand, nichts ist gesichert, es kann sich vielleicht ein Gedicht ausgehen oder nicht, das lyrische Ich legt sich noch nicht fest, in erster Linie gilt es, die Stelle des Ereignisses semantisch abzusichern. Jemand hat seinen Kopf in den Sand gesteckt und wundert sich, dass er nichts sieht, jemand anderer geht durch eine Galerie und überrascht sich mit abschweifenden Gedanken, die Regensonntage ergeben vorerst keinen Sinn und sind vielleicht gerade deshalb geeignet, der Erotik etwas Platz zu geben.

Markenzeichen von C. H. Huber ist die umgekehrte Pyramidenform, die Gedichte stehen meist auf dem Spitz, die Titel ergibt sich als zusammenfassende Unterschrift. Im Layout steckt eine Hommage an die Tiroler Architektur. Bekanntlich muss in Tirol jedes Haus einen Balkon haben, um als solches gewürdigt zu werden. In den Gedichten ist daher jeweils ein Vorsprung eingebaut im Sinne einer links-überstehenden Zeile, die das Gedicht sichert, gliedert und dem Auge Platz lässt für persönliche Ausschmückung.

„noch nicht jenseits von“ thematisiert Zustände knapp davor, wenn das Wetter gerade umzuschlagen beginnt, wenn ein Gegenstand unscharf wird, weil ein Schatten darauf fällt, oder wenn zur Vorsicht höflich gelogen wird, weil die Erotik noch nicht ganz ausgeformt ist.

Das rätselhafte „r & r“ entpuppt sich als eleganter Verschnitt von Railjet und Riedgassenstimmen. Während im Railjet jene Sehnsucht besungen wird, die bei der Benutzung des schnellsten Zuges Österreichs entsteht, werden in der winkligen Riedgasse alte Seufzer aus der Kindheit aufgewärmt und über die Dächer der darunterliegenden Stadt geblasen.

In langgezogenen Kurven den Kopf des / Regenwurms gesichtet / während du im / Hinterteil sitzt. (70)

„body and“ kümmnert sich um abgebrochene Kosmetikversuche am Körper, der sich während der Pflege ins Alter dreht. Wenn der Herbst auftaucht, muss eine Extraportion Trost herhalten (87), in der sogenannten Metamorphose bleibt ein fetter Regenwurm in sich selbst stecken (106) und der Sommer ist nicht mehr nur Freund, wenn er an die Brüste fasst. (108)

In der abschließenden Serie vom Süden geht noch einmal das Herz auf. In Kreta liegt in der emsigen Sonne wie all die Jahre zuvor, in denen das lyrische Ich sich in der Zeitlosigkeit geräkelt hat. Aber am Horizont sind Eintrübungen zu sehen, der Körper fühlt sich beinahe zu alt für eine ganze Woche, eine Prise Unhöflichkeit zieht vorüber (137), selbst die Taxifahrer im alten Mercedes sprechen zwischendurch vom Klima.

C. H. Huber siebt ähnlich einer Goldwäscherin Unmengen von Alltagsgestein, um dann erregt diese Nuggets zu finden, die zu Hause als Gespräch der Vögel aus dem Notizbuch auffliegen, sanft und mit barmherziger Geduld.

C. H. Huber, Die Vögel reden wieder miteinander.
Innsbruck: Tiroler Autorinnen und Autoren Kooperative TAK 2019, 143 Seiten, 18,00 €, ISBN 978-3-900888-69-5

 

Weiterführende Links:
Tiroler Autorinnen und Autoren Kooperative Verlag: C. H. Huber, Die Vögel reden wieder miteinander
Homepage: C. H. Huber

 

Helmuth Schönauer, 27-02-2020

Bibliographie

AutorIn

C. H. Huber

Buchtitel

Die Vögel reden wieder miteinander

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2019

Verlag

Verlag Tiroler Autorinnen und Autoren Kooperative

Seitenzahl

143

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-900888-69-5

Kurzbiographie AutorIn

C. H. Huber, geb. 1945 in Innsbruck, lebt in Innsbruck.