robert stähr, plattform einsIn manchen Kulturen wird das Parterre eines Gebäudes mit „Plattform eins“ bezeichnet. Das trifft sich gut, denn unter Parterre versteht man im psychologischen Kontext einen Zustand, bei dem die Helden seltsam am Boden sind. – „Heute bin ich wieder ganz Parterre!“

Robert Stähr nimmt drei Anläufe, um derangierte Helden und am Boden zerstörte Individuen auf die Plattform eins zu heben. Eingestimmt wird der Leser auf die jeweiligen Abschnitte mit drei Tuschzeichnungen von Sandra Lafenthaler, die wie brüchige Lava-Konturen Umrisse zum Vorschein bringen. Sie erinnern einmal an ein Knäuel Papier, dann wieder an eine schräg aufgezogene Jalousie und schließlich an einen notdürftig zusammengeklappten Seilzug. Die Linien dieser drei Zeichnungen sind spröde, der Strich setzt zwischendurch aus und ergibt schließlich ein Stück pure Perforation.

friedbert stohner, lottiAlso es war an einem Montag, da durften wir unser Lieblingskuscheltier mit in die Schule bringen, und ich hab Lotti mitgenommen, und als ich nach Hause kam, war sie nicht mehr in meinem Rucksack, sondern bloß Nikos blöder Gorilla, der angeblich dauernd pupsen musste, dabei war es bloß Niko selber mit den Lippen. So ist mein Teddy Lotti verschwunden … (S. 5)

Die kleine Mathilde ist zu Tode betrübt, als sie nach der Schule bemerkt, dass Lotti, ihr geliebter Teddybär, verschwunden ist. Zunächst verdächtigt sie Niko, einen Mitschüler, doch dann läutet es unerwartet an der Haustür und der kleine Teddybär sitzt zur Überraschung aller ganz alleine auf der Fußmatte.

martin mandler, kleiner vogel glückWenn die Vögel aussterben, erfahren Romane mit dem Wort Vogel im Titel umso heftigere Aufmerksamkeit.

Martin Mandler nennt seinen Roman über einen modernen „Hans im Glück“ nach jener Volksweisheit, wonach das Glück ein Vogerl sei, das sich mal hier, mal dort niederlässt. Dieses sprunghafte Herum-Navigieren wie ein Vogerl ist auch das Erzählmuster, das dem Roman zugrunde liegt. Ein Glücksforscher im Hintergrund schiebt diverse Figuren durch das Tableau der jüngeren Zeitgeschichte.

Kern der Geschichte ist ein Hans im Glück aus dem vorigen Jahrhundert, der im Ersten Weltkrieg als heimisches Bauernkind an der Dolomiten-Front eingebunkert ist in einer grandiosen Landschaft. Von dieser kann er sich nur unter Lebensgefahr eine Scheibe abschneiden, wenn er heimlich ins Freie kriecht in der Hoffnung, dass er vom Feind nicht gesehen wird. Aber Krieg hin oder her, wenn man es schafft, alles auszublenden bis auf die ikonenhafte Schöpfungslandschaft, dann stellt sich sogar etwas wie Glück ein, während man dies alles sehen und in Worte kleiden darf.

katja alves, mafalda mittendrin„»Cosimo, wo sind wir?« »Wir sitzen in einem miefigen Pappkarton auf einer Reise ins Ungewisse.« »Haha, sehr witzig.« »He, Claus! Was machst du?!« »Nichts … Uh, dieses Schaukeln ist ja nicht auszuhalten. Gleich kommt mein Frühstück hoch …« »UNTERSTEH DICH!«“ (S. 7)

Mafaldas Beckmanns Bruder Flynn darf die beiden Wüstenrennmäusen Cosimo und Claus seines Freundes Henrik für eine Projektarbeit für die Schule beobachten. Malfalda ist ganz begeistert von den niedlichen Nagern und will sie unbedingt ihrer besten Freundin Selin zeigen, was Henrik rigoros ablehnt, bis er für den Besuch der Skate-Academy jemanden braucht, der sich um seine beiden Mäuse kümmert. Keine Frage, dass Mafalda diese Gelegenheit beim Schopf packt.

franzobel, im hirnsaal„Poetikvorlesungen besitzen den Glaubwürdigkeitsgehalt einer Teleshopping-Präsentation.“ (15) – Diese entlarvende Einschätzung der Autorin Julie Zeh deutet darauf hin, dass es sich beim Abfassen von Texten über sich selbst um eine schwere Autoimmunstörung handelt.

„Im Hirnsaal“ ist jedenfalls eine aufregende Location, worin der Universal-Autor Franzobl seinen Essay über sich selbst, sowie das Lesen und Schreiben im Literaturbetrieb eingerichtet hat. Der Essay ist 2021 im Rahmen der „Ernst-Jandl-Dozentur für Poetik“ für die Alte Schmiede in Wien entstanden. Da Franzobel sowohl in Rede als auch in Schreibe als Solitär arbeitet, lässt sich der Essay über „Norm und Abweichung“ lesen, als ob man gerade dem Autor lebend gegenübersäße.

heinz janisch, bleib noch eine weile„Eines Abends beschloss ich 77 Geschichten zu schreiben. Die Zahl gefiel mir einfach. So machte ich mich an die Arbeit. Ich wollte, dass kleine und große Riesen, Zauberer und Elfen, Katzen und Menschen darin vorkommen. Ich wollte, dass die Magie nicht zu kurz kommt.“ (S. 5)

In Heinz Janischs Kurzgeschichten stehen Dako, der kleinen Riese und Jonathan, der große Riese im Mittelpunkt, die gemeinsam mit Rem, dem schwarzen Kater, Will, dem Vogel, Colfoy, der Elfe und Doris, der Hundertjährige wundersame Alltagserlebnisse erfahren.

rosa pock, ein jahr im leben einer infantinEiner der geheimnisvollsten Adelstitel lautet Infantin. Damit ist ein anerkanntes weibliches Kind eines spanischen Herrscherhauses gemeint, das auf der Ersatzbank der Kindheit sitzt und auf den Einsatz wartet. Das kann lange dauern, wenn man nur an den aktuellen König von England denkt, der als Siebzigjähriger erst von seinem Infantentum erlöst wurde.

Rosa Pock lässt in ihrem „Jahr im Leben einer Infantin“ ein Tagebuch-Ich zu Wort kommen, das eine brauchbare Rolle sucht, um mit der Kunst, dem Schreiben, der Poesie und sich selbst versöhnt zu werden.

caroline ronnefeldt, inspektor mouse„»Was geschieht, wenn das Geld nicht wieder auftaucht und alles, wirklich alles verloren ist?« »Schon weil der Gegner der Schwarze Ole ist«, erwiderte Mouse, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, »gedenke ich dieses Spiel zu gewinnen.« Unter diesem vorläufigen und in den meisten Köpfen noch lange nachhallenden Schlusswort beendete die Lichtregie des Zufalls ahnungsvoll die Beleuchtung des Helden. Draußen musste sich eine Wolke vor die Sonne geschoben haben, was möglicherweise nichts Gutes verhieß.“ (S. 61)

Der berühmte Inspektor Selwyn Mouse wird mit einem kniffligen Fall betraut, der ihn in die tiefste Unterwelt der Stadt Kratzburg führen wird. Sein großer Herausforderer ist niemand geringerer als Bakrus Ole Tyvson, besser bekannt als der Schwarze Ole, ein gefürchteter Schwerverbrecher, der einen unglaublichen Coup gelandet hat.

rudolf lasselberger, spur ins ungewisseErst wenn sich jemand damit beschäftigt, wird aus der unbeachteten Materie eine Spur, aus der sich das Abenteuer der Entdeckung aufbäumt. Manche denken dabei auch an einen Spurschaden bei der Fahrzeuglenkung, andere begnügen sich mit der Formulierung, dass jemand „aus der Spur geraten sei“. In der Literatur ist alles, was jemand schreibt, eine Spur, die bei den Lesern „Spuren hinterlässt“.

Rudolf Lasselsberger nimmt für seinen Roman jene Spuren auf, die an seiner Existenz als Autor vorbeiführen, – sobald er diesen nachgeht, gelangt er ins Ungewisse. So wird oft das Geheimnis um einen selbst umso rätselhafter, je mehr man sich mit Herkunft, Ausblick und Sinn beschäftigt.

katharina von der gathen, radischen von untenDies ist ein Buch über das Sterben und den Tod. Ist Sterben schlimm? Kann es auch schön sein? Warum muss man überhaupt sterben? Was passiert dann? Und was ist, wenn meine liebsten Menschen sterben? Wäre es nicht viel toller, unsterblich zu sein? Niemand auf der Welt hat eine sichere Antwort auf solche Fragen. Menschen vor Hunderten und Tausenden von Jahren haben sie sich ganz genauso gestellt wie wir heute. Allein oder mit anderen darüber nachzudenken, kann etwas Licht ins Dunkel bringen. (S. 12)

Der Tod beschäftigt die Menschen schon seit frühesten Zeiten und in jungen Jahren und immer wieder drängen sich die Fragen auf, was mit den Menschen geschieht, wenn sie das Leben verlassen hat. Dabei richten sich diese Fragen auch immer indirekt an uns selbst und unsere eigene Vergänglichkeit, Fragen die auch Kinder in verschiedenen Entwicklungsstufen immer wieder neu stellen.