Douglas Coupland, Eleanor Rigby

Buch-CoverIm Beatles-Song über Eleanor Rigby klaubt ein Mauerblümchen in der Kirche den Reis auf, den eine Hochzeitsgesellschaft ausgestreut hat. Seither steht dieser Name für eine Frau, die von jenen Glücksbrosamen leben muss, welche die anderen übrig gelassen haben.

Bei Douglas Coupland ist die 36-jährige Liz Dunn diese stille Außenseiterin. Mit viel Körperfett hat sie sich von der Außenwelt abgeschottet und schiebt ihr Leben als unauffälligen Trabanten durch Vancouver. Ihr Leben ist nur zweimal von einem Deep Impact heimgesucht worden.

Einmal, als sie als Sechzehnjährige durch Europa tingelt und auf einer römischen Tankstelle von einem Österreicher geschwängert wird, und ein andermal 1997 beim Auftauchen des Kometen Hale-Popp über Vancouver, als sie von einem halb im Koma liegenden jungen Mann aus dem Krankenhaus angerufen wird, der behauptet, ihr Sohn zu sein.

Der Roman spielt sich rund um diese Einschläge ab. Fast jeder Satz für die Gegenwart hat einen Bezug zur ominösen Europa-Reise. Zwischen den Zeilen und Seufzern erschließt sich langsam dieses komische Schicksal einer unförmigen, beinahe a-sexuellen Frau. Gut ein Drittel der Girls sind damals schwanger von der Bildungsreise aus Europa zurückgekommen. Ganz Europa schaut übrigens aus wie eine Ausstellungslandschaft bei IKEA.

Obwohl die Gene des Österreichers für ihr Kind gut ausgeschaut haben, hat Liz das Baby sofort zur Adoption freigegeben. Zu Hause herrscht Totenstille über diese Familienangelegenheit, Liz frisst sich durch die Probleme ohne einen Mucks.

Und jetzt diese Überraschung: Jeremy ist ihr Sohn und nach über einem Dutzend Leihfamilien ist er nun doch bei ihr gelandet. Dabei schaut es um Jeremy gar nicht gut aus, er hat nämlich MS und wird es nicht mehr lange schaffen.

Für Liz bekommt das Leben seltsamerweise gerade dadurch einen Sinn, dass ihr Jeremy zugestellt wird wie die Glücksbotschaft von einem Kometen. Aus reinen Überlebenshandgriffen, wie wohl die nächsten Tage zu meistern sind, entsteht ein Sinngebäude, das viel griffiger ist als alles, was in Kursen und Kuren üblicherweise angeboten wird.

Die Botschaft des Romans scheint immer knapp am Kitsch und am Zynismus entlang zu laufen. Ja, gerade Außenseiter sind zu großem Glück fähig, ja, es genügt, einmal im Leben Sex zu haben, um ordentlich bedient zu sein, ja, es gibt Kometen, die das Leben verändern.

Aber hinter diesem Glücksgebilde, das oft mit Sätzen aus Trash und Überlebens-Smalltalk aufgehäuft wird, gibt es einen sympathischen Reduktionismus. So angewidert und fettleibig kann es gar nicht zugehen, dass nicht im Innern dieser Außenseiterseele ein rasendes Herz schlägt, voller Pfiffigkeit und Lebenswitz.

Irgendwie eine zynisch perfekte Abrechnung mit allen Familienromanen, die sonst immer gut ausgehen müssen.

Douglas Coupland, Eleanor Rigby. Roman. A. d. Amerikan. von Tina Hohl. [Orig.: Eleanor Rigby, New York 2005].
Hamburg: Hoffmann und Campe 2006. 270 Seiten. EUR 19,50. ISBN 978-3-455-40007-6

 

Weiterführende Links:
Hoffmann und Campe: Douglas Coupland, Eleanor Rigby
Wikipedia: Douglas Coupland

 

Helmuth Schönauer, 25-10-2006

Bibliographie

AutorIn

Douglas Coupland

Buchtitel

Eleanor Rigby

Originaltitel

Eleanor Rigby

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Hoffmann und Campe

Übersetzung

Tina Hohl

Seitenzahl

270

Preis in EUR

19,50

ISBN

978-3-455-40007-6

Kurzbiographie AutorIn

Douglas Coupland, geb. 1961 auf einem kanadischen Nato-Stützpunkt in Baden Baden, lebt in Vancouver.