Oswald Egger, Val di Non

Sogenannte Preisdichter schreiben ihre Werke meist für die Jury, ab und zu freilich schreiben sie ein Buch, um die angehäuften Preise zu rechtfertigen.

Oswald Egger ist ein abgebrühter Preisdichter, als er in diesem Sommer den Trakl-Preis bekommt, murmelt er irgendwie, dass ihm dieser noch in seiner Sammlung gefehlt habe. Als Vorschuss für den Preis hat er bereits sein neuestes Opus ausgeliefert: Val die Non.

Das Buch entzieht sich den klassischen Einteilungen, ist aber wohl am ehesten der Lyrik zuzurechnen. Unter dem scheinbar geographischen Begriff Val di Non ist eine semantisch lose im Sprachgeröll verankerte Prosa-Lyrik ausgestreut, die sich als drei Komponenten durch das Buch zieht.

1. Im Typus eines kursiv gesetzten Gedichtes gehen von einem lyrischen Ich immer Beschreibungen zu spontan gefühlten Zustanden aus.

Wie ein Hund / der vereiste Speise- / fische gefressen hat, / zittere ich dabei. // Meine Arme / haben niemanden, / aber meine Taille hat keine Beine. (159)

2. Diesem Gedicht sind als naturkundliche Zeichnungen Schlieren, Einzeller-Fragmente oder Zellansammlungen in Form eines Angelhakens beigefügt.

3. Im unteren Seitendrittel rinnt ein kompakter Prosatext über die Fläche, dabei geht es in einem elendslangen Satz um Wasseradern, Geröllmassive, Windpappeln und Viehwald.

Die einzelnen Seiten sind wie Blätter für eine Ausstellung organisiert, greifen oft neue Themen auf und korrespondieren mit den Nachbarblättern. In Buchform gepresst erinnert diese Substrate an ein Lehrbuch für Geographie oder Naturkunde, zumal sie wie für Lehrbücher üblich den Text zu Merksätzen formulieren. Dabei tauchen auch ständig neue Wortschöpfungen auf, die den Leser mindestens so perplex machen wie seinerzeit in der Grundschule, als die Wörter jeden Tag das erste Mal ins Bewusstsein des Schülers geklopft worden sind.

Der Titel des ganzen Unterfangens strahlt freilich bis in die letzten Zeilen hinein. Dieses Val die Non schüttet geographische Begriffe am laufenden Band aus dem Handgelenk. Andererseits werden diese Kompositionen auch von einem immensen Spieltrieb gesteuert, der sich an das Zufallsprinzip hält und dem Nonsens durchaus Paroli bietet.

Denn das macht diese Tüfteleien und Spielereien so unterhaltsam: Obwohl der Autor die Sache natürlich ernst nimmt wie ein Kind ein gelungenes Spiel, ist der Ausgang dieser Konstellationen ungewiss, sie könnten auch puren Nicht-Sinn bedeuten, dann käme man dem Tal des Nonsens schon ziemlich nahe.

Für die Jurys, die in Permanenz tagen, um dem Oswald Egger ständig frische Preise zuzuspielen, ist dieses Val di Non ein ideales Dokument, das Innovation und Individualismus bedeutet, für die normale Leserschaft eine ermunternde Spielanleitung, um aus der Sprache während der Lektüre einen gelungenen Abend abzuzapfen.

Oswald Egger, Val di Non
Berlin: Suhrkamp Verlag 2017, 207 Seiten, 28,00 €, ISBN 978-3-518-42582-4

Weiterführende Links:
Suhrkamp Verlag: Oswald Egger, Val di Non
Wikipedia: Oswald Egger

 

Helmuth Schönauer, 24-09-2017

Bibliographie

AutorIn

Oswald Egger

Buchtitel

Val di Non

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Suhrkamp Verlag

Seitenzahl

207

Preis in EUR

28,00

ISBN

978-3-518-42582-4

Kurzbiographie AutorIn

Oswald Egger, geb. 1963 in Tscherms, lebt in Hombroich / Neuss.