Alexander Widner, Stark wie ein Nagel

Aufregende Bücher können seltsame Reaktionen auslösen, wie etwa, dass Dichter neidvoll wünschen, dieses Buch selbst geschrieben zu haben. Meist verschwinden diese Bücher gleich wieder, weil sie zu gefährlich gut sind.

Im Falle von Alexander Widner ist sein Hammer-Roman vom Nagel jetzt nach zwanzig Jahren wieder stark und spitz als Wieser-Taschenbuch greifbar. Und noch immer frisst der Neid Autoren wie Josef Haslinger, der dieses Buch gerne selber geschrieben hätte.

Worum geht es in „Stark wie ein Nagel“? – Um ein Stück österreichisches Kulturleben, dargestellt an einem ungleichen Ehepaar. Er ist frustrierter Musiker und sie arbeitet, wo immer sie hinkommt, bei der Finanz.

Der Schwerpunkt liegt sicher bei ihr, denn sie wird ständig vom Mann zusammengeschlagen und erlebt so etwas, während der Mann aus purer Leere halb wahnsinnig wird. So sarkastisch erzählt Alexander Widner, meist aus einem Off heraus, aus dem er seine Figuren ins Leere rennen lässt. Der Erzählton ist fassungslos, sarkastisch und abgefackt, quasi ein innerer österreichischer Monolog.

Mit neunzehn ging die Frau zur Finanz. (13)

Gleich zu Beginn wird das Schicksal abgesteckt. Die Finanz überlebt alle Systeme, da gibt es keine Entnazifizierungen oder Umstellungen. Der Mann hingegen wird Hahnenschwänzler und zieht über die Roten her, ehe er Klavierspieler und Kapellmeister wird. Da die Musik nach österreichischer Lesart  unpolitisch ist, hat er immer wieder kleine Anstellungen und Auftritte, was immer er auch denkt.

In die Provinz, immer, immer tiefer in die Provinz sind wir. (40)

Spätestens ab jetzt ist das Schicksal besiegelt. Der Mann wird immer gewalttätiger, die Frau immer gefesselter, das Kind, das sie mittlerweile haben, entpuppt sich als Vollkoffer, an dem der Mann noch kurz seine Musiktheorie ausdiskutiert, indem er erklärt, wer in Österreich ein musikalisches Arschloch ist. Einmal verschlägt es das Paar nach Tirol, wo naturgemäß nichts besser wird, während der Bub an Weltorten das Leben verbummelt. Selten ist Tirol so sinnlos genau beschrieben worden.

Mann und Frau zogen nach Tirol. (86)

Mann und Frau zogen wieder weg von Tirol. (93)

Schließlich kommt die Frau in Pension und hat schon nach drei Wochen vergessen, dass sie vierzig Jahre bei der Finanz gewesen ist. Von der Krankheit gezeichnet bäumt sie sich noch einmal am Küchentisch auf und schreit: „Scheiße, dass alles nichts geworden ist.“ (100) Sie stirbt und hinterlässt als Kulturvermächtnis den Satz, an den sie sich ein Leben lang geklammert hat:

Das Dekorum muss gewahrt bleiben. (72)

Alexander Widner erzählt an der Oberfläche eine brutal einfache Ehegeschichte, aber darunter kocht Seite für Seite die österreichische Seele ihre braunen Ingredienzien aus. Der österreichische Kulturbetrieb wird gewalttätig und wortlos geführt wie eine viehische Ehe.

Alexander Widner, Stark wie ein Nagel. Roman. [Orig.: Wien, Deuticke 1996].
Klagenfurt: Wieser 2015 [Taschenbuch], 182 Seiten, 13,50 €, ISBN 978-3-99029-166-5

 

Weiterführende Links:
Wieser Verlag: Alexander Widner, Stark wie ein Nagel
Wikipedia: Alexander Widner

 

Helmuth Schönauer, 17-12-2015

Bibliographie

AutorIn

Alexander Widner

Buchtitel

Stark wie ein Nagel

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Wieser Verlag

Seitenzahl

182

Preis in EUR

13,50

ISBN

978-3-99029-166-5

Kurzbiographie AutorIn

Alexander Widner, geb. 1940 in Wien, lebt in Klagenfurt.