Günther Oberhollenzer, Von der Liebe zur Kunst

In einer Gesellschaft, in der an manchen Tagen ausschließlich Börsen-orientierte Kalkulationen als Gedankengänge zulässig sind, haben es Diskurse über alles, wo keine Zahlen vorkommen, ziemlich schwer.

Günther Oberhollenzer legt sich die Latte gleich doppelt hoch, verwendet er doch Begriffe wie Liebe und Kunst, die mit Zahlenmaterial natürlich nicht zu bewältigen sind. Seine drei Grunderfahrungen zum Thema stammen aus einem aufwühlenden Studium der Kunstgeschichte in Innsbruck, aus seinen kuratierenden Tätigkeiten unter anderem in Südtirol und seiner „Hausaufgabe“ am Essl Museum.

Die wichtigste Voraussetzung im Umgang mit Kunst ist die Neugier des Kindes, die im Bildungsprozess zum Erwachsenen oft still gelegt wird. Daher muss Kunst ununterbrochen in Vermittlung, Aufklärung und Diskurs „investieren“. Oft fehlen dem Publikum einfach die passenden Worte, weshalb es dann im Reflex der Ablehnung reagiert. Mehrmals wird im Essay Hermann Nitsch als Beispiel für Ablehnung genannt.

Was macht eigentlich ein Kurator? - Während man früher diese Tätigkeit nicht studieren konnte, ist es mittlerweile lifestylig geworden, etwas zu kuratieren. Grob übersetzt macht der Kurator für die Objekte das, was Regisseure für das Stück oder Verleger für den Text machen.

Die unendliche Frage, was ist Kunst, zählt der Autor noch einmal im Stile eines Proseminars  auf, um Elemente persönlich abzuhandeln wie Botschaft, Emotion, Kreativität, kein Zufall, kein Werk der Natur, kein Zweck. Der Autor plädiert für Subjektivität und Emotion und fragt am Schluss den Leser, was er für Kunst hält. Hier eine ziemlich kluge Antwort des Rezensenten: „Kunst ist das, was in einer Gesellschaft die Gerichte zur Kunst erklären.“

Im letzten Teil kommen einige Konfliktpunkte mit der Kunst zur Sprache, etwa Kunst und Zensur oder Kunst und Kirche. Am Beispiel des Südtiroler Froschskandals wird gezeigt, wie eine unaufgeklärte Gesellschaft eine Installation von Martin Kippenberger ablehnt, die Betreiber denunziert, das Museum verächtlich macht und selbst die verantwortliche Landesrätin mit vielen Streichungen bedacht wird. Der Skandal wird schließlich ohne Diskussion ausgesessen, das Kunstwerk entfernt, das Museum gestutzt und die Landesrätin flüchtet in eine überdimensionierte Altersrente.

Die Liebe zur Kunst ist gerade in der Provinz elementar wichtig, um Elemente wie Radikalisierung, Volkszorn und Schwarzweiß-Denken in den demokratischen Diskurs miteinzubeziehen.

Günther Oberhollenzer ist ein positiv Besessener seiner Kunst, und nach Dieter Ronte ist ja die Kunstvermittlung selbst eine Kunst. Nie gleitet der Essay in Zynismus ab, wiewohl er sich oft anböte, und auch die Kunst als Kapital-Aktie wird eher atmosphärisch als entlarvend besprochen. Dabei ist das Essl Museum den Bach hinunter gerauscht, während sein Kurator von der Liebe zur Kunst geschwärmt hat – kapitalistisch tragisch!

Günther Oberhollenzer, Von der Liebe zur Kunst. Warum es unser Leben bereichert, sich auf sie einzulassen. Essay.
Innsbruck: Limbus 2014. 170 Seiten. EUR 13,-. ISBN 978-3-99039-036-8.

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Günther Oberhollenzer, Von der Liebe zur Kunst
Wikipedia: Günther Oberhollenzer

 

Helmuth Schönauer, 11-12-2014

Bibliographie

AutorIn

Günther Oberhollenzer

Buchtitel

Von der Liebe zur Kunst. Warum es unser Leben bereichert, sich auf sie einzulassen

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

170

Preis in EUR

13,00

ISBN

978-3-99039-036-8

Kurzbiographie AutorIn

Günther Oberhollenzer, geb. 1976 in Brixen, lebt in Wien.