Christine Hochgerner, Der letzte Satz

Wenn beide Elternteile begraben sind, tritt das Leben in voller Schärfe ans Tageslicht. Jetzt sind die Nachfahren von jeder Erziehung und Kindheit befreit und endlich erwachsen geworden.

In Christine Hochgerners Roman „Der letzte Satz“ begräbt die Heldin nach dem Vater jetzt auch die Mutter, sie ist somit die letzte Überlebende aus dem Familiengeflecht und horcht in sich hinein, wie es sich so anfühlt, wenn man ratzeputz alleine ist. Die Wohnung der Eltern ist in den letzten Jahren zur Pflegestation umfunktioniert worden, jetzt wird sie aufgelöst.

Das Begräbnis gibt nur äußerlich Frieden, innerlich stellt sich schon die lauernde Frage, wer bin ich, was ist aus mir geworden. Die Heldin Susanne ist Journalistin, mittlerweile im Freizeit und Kulinarik-Bereich tätig, früher aber hat sie alles angenommen.

Diebstahl, Straßenfest, Fenstersprung, sie wollte ihren Namen unter vielen Geschichten sehen. (35)

Diese Lust am Recherchieren überfällt sie auch, als sie die letzten Dinge ordnet und in alten Sachen stöbert. In einer Lade taucht ein letzter Satz ohne Absender als Brief an den Vater auf: „Wer sein Versprechen nicht hält, macht sich schuldig.“ (79) Offensichtlich lauert unter der offiziellen Familiengeschichte noch eine andere, bösartige, unterdrückte.

So nebenher startet Susanne eine kleine Affäre und bittet die Freundin innigst, ihr diese kleine Chose nicht zu vermiesen. Beim Begräbnis ist am Nachbargrab ein aufregender Mann gestanden, jetzt wird er romantisch entpackt, Armin, Italienfahrt, Hotel, One-Night-Stand, im gestandenen Alter hat das alles an den fünf Fingern einer Hand Platz.

Als die hormonell Angebohrte das Grab der Eltern pflegt, steht Armin wieder am Nachbargrab, aber er erkennt sie nicht und dreht sich pikiert um. Jetzt läuft die Journalistin in Susanne zur Höchstform auf, sie holt Erkundungen über das Nachbargrab ein, lässt sich Geschichten über die Eltern erzählen, dabei kommen Affären, Querverbindungen und Seitenlinien des Stammbaumes zum Vorschein, die man den verblichenen Eltern gar nicht zugetraut hätte.

Wie so oft, wenn die Wahrheit aus dem provinziellen Mief ans Tageslicht gezogen werden muss, kommt es zu kriminellen Aktionen, die letztlich sogar die Heldin in eine gefährliche Situation bringen. Das Ende darf aus kriminaltechnischen Gründen hier nicht verraten werden.

Christine Hochgerner erzählt therapeutisch kühl von jener melancholischen Herbstlage, in der der Tod schon ordentlich vorbeischaut und das Leben in jenen Tiefgang versetzt, wo oberflächliches Getue nicht mehr opportun ist.

Christine Hochgerner, Der letzte Satz. Ein Familienroman, der zum Kriminalfall wird.
Klagenfurt: Sisyphus 2014. 175 Seiten. EUR 14,80. ISBN 978-3-901960-76-5.

 

Weiterführender Link:
Sysiphus Verlag: Christine Hochgerner, Der letzte Satz

 

Helmuth Schönauer, 12-10-2014

Bibliographie

AutorIn

Christine Hochgerner

Buchtitel

Der letzte Satz. Ein Familienroman, der zum Kriminalfall wird

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Sisyphus Verlag

Seitenzahl

175

Preis in EUR

14,80

ISBN

978-3-901960-76-5

Kurzbiographie AutorIn

Christine Hochgerner, geb. 1954 in Niederösterreich, lebt in Wien.