Manfried Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie

„Österreich-Ungarn aber, eine – wie es so schön hieß – »stagnierende Großmacht«, sah ähnlich wie Großbritannien in der Aufrechterhaltung der geltenden europäischen Ordnung eine Chance. Das aber nicht aus innerster Überzeugung, sondern aufgrund einer evidenten Schwäche. Sie, und vor allem sie war der Grund dafür, dass Krieg zur Lösung der Probleme dann doch wenn schon nicht angestrebt, so nicht mehr regelrecht ausgeschlossen wurde.“ (14)

Manfried Rauchensteiners opulentes Werk über die Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg umfasst alle Aspekte vom Vorabend des Krieges bis zum Zusammenbruch des Habsburgerreiches und dem Niedergang der Monarchie. Dabei werden die wesentlichen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Hintergründe genauso detailliert erläutert, wie die wichtigsten Protagonisten und Entscheidungsträger rund um die Zeit des Ersten Weltkrieges vorgestellt, aber auch der Kriegsverlauf und Kämpfe der österreichisch-ungarischen Armee auch für Laien verständlich und nachvollziehbar analysiert.

Der mehr als 1050 Seiten umfassende Darstellungsteil ist in 32 Kapitel mit einem Umfang von 30 – 40 Seiten untergliedert und gibt dem großen Werk eine überaus hilfreiche und übersichtliche Struktur, zumal die einzelnen Kapitel wieder in überschaubare Unterkapitel unterteil sind. Dabei ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass der Themenschwerpunkt ganz klar auf die Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg gelegt worden ist und sowohl Verbündete als auch Gegner vor allem in Bezug auf die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Verhältnisse und Beziehungen zur Donaumonarchie behandelt werden.

Nach einer Darstellung der Habsburgermonarchie vom Vorabend bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges werden die Veränderungen und Umstellungen von einer Friedensgesellschaft auf eine Gesellschaft im Krieg ebenso detailliert dargestellt, wie der Kriegsverlauf an den verschiedenen Frontabschnitten im Osten und Südosten des Reiches bis zum ersten Kriegswinter. Als die Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende und die anfängliche Euphorie verschwinden, muss sich das Reich auf einen langen Krieg umstellen.

Welche Bedeutung klaren Kriegsziele sowohl für die Kriegsführung als auch für mögliche Friedensinitiativen zukommen, wird in den Kapiteln „Der erste Kriegswinter“ und „Die Namenlosen“ deutlich, wo die unterschiedlichen Vorstellungen zwischen Deutschland und der Donaumonarchie zeigen, mit welchen Schwierigkeiten Friedensinitiativen zu kämpfen hatten, denen Visionen von einem Siegfrieden gegenüberstanden.

Weitere Kapitel bieten, über die konkreten Ereignisse hinaus, tiefe Einblicke in das Wesen von Kriegen wie z.B. die essentielle Frage „Wie finanziert man einen Krieg?“ In diesem Kapitel wird auf die Kriegsanleihen und das Wüten der Notenpresse hingewiesen, deren Folgen auch nach Kriegsende spürbar blieben. Die letzten Kapitel zeigen den langsamen Niedergang und Zusammenbruch des Habsburgerreiches, dem nach einigen militärischen Erfolgen aber schließlich die Ressourcen für eine weitere Fortführung des Krieges fehlen.

Manfried Rauchensteiners opulentes Geschichtswerk „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“ darf sicherlich zu Recht als das Standardwerk zur Geschichte der Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg bezeichnet werden. Allein die Anzahl der verwendeten Quellen und Sekundärliteratur erregt Staunen. Dabei verliert der Autor trotz der Fülle der Details und behandelten Einzelereignissen nie den großen geschichtlichen Verlauf aus dem Blick.

Neben aller Sachlichkeit lässt die Darstellung die Leserinnen und Leser sowohl den psychischen Druck, die engen Handlungsspielräume, wie auch die persönliche Verantwortung der einzelnen Protagonisten erkennen und nachvollziehen. Aber auch das Elend des Krieges, der Hunger und das Leiden der Soldaten, der Gefangenen aber auch der Bevölkerung im Hinterland kommen anschaulich zur Darstellung.

Ein überaus empfehlenswertes und lesenswertes Geschichtsbuch zum Ersten Weltkrieg vor allem aus der Perspektive der Habsburgermonarchie, das trotz seiner Fülle, dank seiner klaren Sprache und Struktur, aber auch für Nichthistoriker immer lesbar und verstehbar bleibt.

Manfried Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie. Mit 32 Abb., 2 Karten
Wien: Böhlau Verlag 2013, 1222 Seiten, 45,00 €, ISBN 978-3-205-78283-4

 

Weiterführende Links:
Böhlau Verlag: Manfried Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie
Wikipedia: Manfried Rauchensteiner

 

Andreas Markt-Huter, 02-02-2015

Bibliographie

AutorIn

Manfried Rauchensteiner

Buchtitel

Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Böhlau Verlag

Seitenzahl

1222

Preis in EUR

45,00

ISBN

978-3-205-78283-4

Kurzbiographie AutorIn

Manfried Rauchensteiner ist Professor für Österreichische Geschichte an der Universität Wien und war bis 2005 Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums.