Michael Poore, Der raffinierte Mr. Scratch

Am ehesten kriegt man das Unvorstellbare in den Griff, wenn man es zur Hauptfigur macht, die die Episoden authentisch vorantreibt. So lässt sich die Geschichte manchmal nur von der schwarzen Seite aus beschreiben, wenn die offizielle zu grell überblendet ist.

Michael Poore schickt seinen Satan in Gestalt des Mr. Scratch durch die amerikanische Weltgeschichte, denn die Welt ist amerikanisch, zumindest die teuflische. Mr. Scratch ist fieser Fernsehmoderator und wird ununterbrochen niedergeschossen, was ihm aber nichts  ausmacht, weil er ja der Teufel ist.

Manchmal lässt er sich einliefern, nachdem er vor laufender Kamera eine Ehe zerstört hat und anschließend niedergestreckt worden ist. Der Beruf des Fernsehmoderators gilt offensichtlich als der Inbegriff des Satanischen. Tatsächlich dreht der Teufel manch krummes Ding, und einmal geht er sogar freiwillig ins Gefängnis und erinnert dabei verdammt an Ulli Hoeneß.

Generell verläuft die Geschichte amerikanisch, das beginnt mit den Pilgrim-Fathers, setzte sich fort über den amerikanischen Bürgerkrieg und findet einen skurrilen Höhepunkt in Hiroshima, wo „sich ein Heer an Toten erhebt und beinahe höflich vergeht“. (371)

Zwischendurch verknallt sich der Teufel in einen Engel und paart sich mit ihm auf offener Straße, freilich ohne Konsequenz, wie es teuflischer Sex eben an sich hat.
Quer durch die jüngere Geschichte zieht sich das Schicksal einer Band, die während der Hippie-Zeit ihre Seele verkauft und so allerhand Ruhm Marke Woodstock erlangt. Natürlich sammelt der Teufel im Anschluss an die kaputte Karriere verlässlich die Seelen ein. Interessant ist sicher, dass die einzelnen Bandmitglieder vor ihren Heroin-Abstürzen alle noch in einer Bücherei arbeiten.

Zwischendurch kommt das Wesen des Teufels zum Vorschein:

Der Teufel arbeitet für die Zukunft. Einfache Sterbliche hingegen verstehen Sachen, von denen der Teufel keine Ahnung hat. (253)

Und der Teufel benützt bei seinem Tun stets Straßen, die nicht auf der Karte verzeichnet sind.

Obwohl der Teufel überall dort auftaucht, wo gerade Unglück, Schmerz oder Katastrophen passieren, verströmt er eine geradezu höllische Schönheit an Poesie.

Ein toter Soldat hing über dem Zauntor. Vielleicht hatte er die Hand nach etwas auf dem Boden ausgestreckt. Eine Wildblume gepflückt oder so. Seine Uniform war ein vergrauendes Blau mit goldenen Tressen. Seine Stiefel waren verschwunden. (245)

Ehrensache, dass Mr Scratch nicht nur raffiniert sondern auch höchst sympathisch ist, geradezu ein Vorbild für die Bewältigung aller dieser miesen Schmierereien, die in uns schlummern.

Michael Poore, Der raffinierte Mr. Scratch. Roman. A. d. Amerikan. von Axel Merz. [Orig.: Up Jums the Devil, NY 2012.]
Köln: Bastei Lübbe 2014. 447 Seiten. EUR 17,50. ISBN 978-3-7857-6101-4.

 

Weiterführender Link:
Lübbe Verlag: Michael Poore, Der raffinierte Mr. Scratch

 

Helmuth Schönauer, 21-04-2014

Bibliographie

AutorIn

Michael Poore

Buchtitel

Der raffinierte Mr. Scratch

Originaltitel

Up Jums the Devil

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Bastei Lübbe Verlag

Übersetzung

Axel Merz

Seitenzahl

447

Preis in EUR

17,50

ISBN

978-3-7857-6101-4

Kurzbiographie AutorIn

Michael Poore, ist Autor für Magazine und Zeitschriften, lebt in Indiana.