Robert Kleindienst, Vermintes Echo

Kriege haben die ungute Eigenschaft, dass sie sich zwar beginnen aber niemals beenden lassen. Ein Krieg wirkt nicht nur in den Erinnerungen über Generationen nach, auch handfeste Minen, vergrabene Bomben und nicht gezündete Sprengstoffe devastieren oder verstrahlen ein Land oft über Jahrzehnte.

Robert Kleindienst erzählt von diesen nur provisorisch abgedichteten Gefährlichkeiten, oft ist nicht nur das Land vermint, auch die Gedanken, die historischen Einschläge oder die Alltagsgräuel sind vermint und abgeschirmt und gehen höchstens als Blindgänger los. Die Erzählungen sind unter dem vielsagenden Titel „Vermintes Echo“ subsumiert, tatsächlich hallt es von den Wänden und grummelt es aus den Talkeseln, wenn wieder irgendwo eine Erzählmine losgetreten worden ist.

Im ersten Teil gibt es noch längere Erzählungen, die sich um Massenmörder im Krieg, um den tödlichen Ehrenkodex der Wissenschaftler oder um Blockgeschichten von Eingeschlossenen kümmern, gegen Ende hin werden die Erzählungen zu Splittern, die überall einschlagen und oft nur einen ein Satzfragment hinterlassen.

Was vorging // Das Licht wurde nicht mutwillig abgeschaltet. Es gab keine Toten oder Verletzten, die Soldaten gingen mit äußerster Sorgfalt vor. Erst nach Tagen bemerkte man das Verschwinden der Familie, die bis heute als verschollen gilt. (107)

In den chaotisch verschreckten Szenarien tauchen Kriegsschauplätze, Katastrophenorte oder Massaker als makabre Gewissheiten auf, sie sind oft das einzig Verlässliche in einer Explosion aus Erinnerung, Geschichtsschreibung und aufgeplatzter Verdrängung.

„Keine Kaninchen mehr, Kinder!“ (14) heißt es in einer Forschungsanleitung, wo das Institut jetzt echte Opfer sehen will für seine letalen Forschungen.
In einer Barackensiedlung aus Schlamm und Hölle versuchen die Gequälten Botschaften mit Kohle in das Schwarze zu schreiben, das sie umgibt.

Jemand ist dem Tod entronnen, trägt seine Heimat im Arm und geht wieder dem Tod entgegen. Kürzer lasst sich das Schicksal der Heimatlosen kaum beschreiben.
In einem Epitaph mit Pausen versucht jemand eine Sprachheimat zu benennen.

Ich vegetiere. Ich bin ein Baum. Ich stehe nicht mehr gerade und aufrecht und stehe nicht mehr dafür und dagegen. Ich bin ein Baum und stehe dafür dagegen. (58)

Unweit von Grodek, dem Schlachtort voller Gemetzel, dem Todesort Georg Trakls, fährt ein Schnellzug in den Sonnenuntergang, in der Ferne spielen zwei Kinder auf den Geleisen Krieg.

Robert Kleindiensts Erzählungen und Annotationen von Treffern schlagen jäh und ungebrochen ein. Jede Explosion reißt ein Stück Erinnerung auf, aber es wird nicht weniger, das ganze Jahrhundert ist vermint, ständig klackst es, und die Mine ist gerade scharf gemacht unter dem Fuß.

Robert Kleindienst, Vermintes Echo. Erzählungen.
Innsbruck: Edition Laurin 2014. 127 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-902866-13-4.

 

Weiterführende Links:
Edition Laurin: Robert Kleindienst, Vermintes Echo
Wikipedia: Robert Kleindienst

 

Helmuth Schönauer, 10-04-2014

Bibliographie

AutorIn

Robert Kleindienst

Buchtitel

Vermintes Echo

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

127

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-902866-13-4

Kurzbiographie AutorIn

Robert Kleindienst, geb. 1975 in Salzburg, lebt in Salzburg. 2007 Stadtschreiber in Kitzbühel.