Tom Holland, Herrschaft - Die Entstehung des Westens

tom holland, herrschaft„Mein Buch untersucht, wodurch das Christentum so subversiv und revolutionär wurde; wie vollständig es die Grundhaltung der lateinischen Christenheit imprägnierte; und warum in einer westlichen Welt, die häufig ein so kompliziertes Verhältnis zu religiösen Ansprüchen hat, so viele ihrer Instinkte nach wie vor – im Guten wie im Schlechten – durch und durch christlich sind. Kurz: Es geht um die größte Geschichte aller Zeiten.“ (S. 27 f)

Tom Holland geht der überaus interessanten Fragestellung nach, wie eine Religion, deren zentrale Bezugsperson als Verbrecher verurteilt und auf grausamste Weise ums Leben gebracht wurde, eine dermaßen prägende Wirkung auf die Welt entwickeln konnte. Dazu werden die zentralen Strömungen des christlichen Einflusses auf die Entwicklung globaler Wertvorstellungen bis in die Gegenwart nachgezeichnet.

In drei umfangreichen Kapiteln wird die Verbindung zwischen griechisch-jüdischer Antike, Entstehung und Aufstieg des Christentums bis in die Entwicklung des modernen Denkens in Europa dargestellt, in dem sich heute noch in allen Bereich der tiefgreifende Einfluss christlichen Denkens ausfindig machen lässt.

Im ersten Kapitel „Antike“ werden zunächst die antiken Grundlagen, auf denen christliches Denken aufbauen und sich abheben konnte, dargestellt. Beginnend mit den grausamen Hinrichtungsarten als politisches religiöses Statement während der Perserkriege und der Vorstellungswelt Ordnung und Chaos, Licht und Dunkelheit oder Wahrheit und Lüge, die auch in späteren Zeiten immer wieder prägend sein wird. Daneben spielt die Entwicklung der Philosophie mit ihrer zentralen Suche nach Wahrheit in der Natur und im Zusammenleben und Verhältnis der Menschen.

Als zweite zentrale Grundlage für das Christentum werden die Vorstellungen und Verhältnisse bei den Juden bis in die Zeit des beginnenden Christentums näher beleuchtet und die wesentlichen neuen Ansätze durch die Theologie des Paulus detailliert erläutert. Neben dem neuen Ziel des Christentums alle Völker ansprechen zu wollen, wird gezeigt wie aus einem allgemein angenommenen Wissen um Richtig und Falsch ein göttliches Naturrecht propagiert wird. Weitere zentrale Themenpunkte sind der Auftrag des Christentums zur Mission und das zentrale Element der Nächstenliebe, das im Gebot der Armut und der Ablehnung von angesammeltem Reichtum bereits seine Schatten in die späteren Auseinandersetzungen innerhalb des Christentum vorauswerfen wird.

Das zweite Kapitel „Christentum“ zeichnet die zentralen Entwicklungen innerhalb des Christentums im Mittalter nach, von der beginnenden Christianisierung Europas, die besonders gewalttätig durch Karl den Großen bei den Sachsen durchgeführt wurde, aber auch Bedrohungen z.B. durch die Wikinger oder den Islam ausgesetzt war. Als Reaktion wurden immer wieder Reformen gefordert, die den entstandenen Machtstrukturen entgegengeworfen wurden und sich im Laufe der europäischen Geschichte zu einem wesentlichen Wirkfaktor entwickeln sollten.

Das letzte Kapitel „Modernitas“ zeigt den weiteren Weg von der Aufklärung bis in die Gegenwart, in dessen Spannungsfeld sich die Auseinandersetzungen in neuem Gewand wiederholen, die in der christlichen Welt des Mittelalters mit anderen Akzenten bereits ausgetragen worden sind. Dabei wird aufgezeigt, dass die Spannungsfelder in den Bereichen Religion, Wissenschaft, Kunst, Freiheit und Liebe auf ein durch und durch christliches Bezugssystem verweisen.

Tom Holland zeigt sich in seiner Monographie über die Bedeutung christlichen Denkens in der Geschichte des Westens als virtuoser Erzähler von Geschichte und Zusammenhängen, die er über einen Zeitraum von mehr als 2.500 Jahren vorüberziehen lässt. Dabei gelingt es ihm anhand zahlreicher historischer Exkurse den offenen bis verdeckten Einfluss christlichen Denkens auszuweisen, der sich bis in unsere Gegenwart finden lässt.

Das ebenso bemerkenswerte wie lesenswerte Sachbuch dokumentiert auf eindrucksvolle Weise das christliche Fundament westlichen Denkens, ohne das viele der gegenwärtigen Entwicklungen schwer verständlich erscheinen. Die klare Struktur und verständliche Sprache bietet allen an Geschichte interessierten Leserinnen und Lesern ein ebenso informatives wie spannendes Lesevergnügen.

Tom Holland, Herrschaft - Die Entstehung des Westens. Übers. v. Susanne Held [Orig. Titel: Dominion. The Making of the Western Mind]
Stuttgart: Klett-Cotta Verlag 2023, 624 Seiten, 20,95 €, ISBN 978-3-608-98745-4

 

Weiterführende Links:
Klett-Cotta Verlag: Tom Holland, Herrschaft - Die Entstehung des Westens
Wikipedia: Tom Holland

 

Andreas Markt-Huter, 03-04-2024

Bibliographie

AutorIn

Tom Holland

Buchtitel

Herrschaft - Die Entstehung des Westens

Originaltitel

Dominion. The Making of the Western Mind

Erscheinungsort

Stuttgart

Erscheinungsjahr

2023

Verlag

Klett-Cotta Verlag

Übersetzung

Susanne Held

Seitenzahl

624

Preis in EUR

20,95

ISBN

978-3-608-98745-4

Kurzbiographie AutorIn

Tom Holland wurde in Salisbury geboren und studierte in Cambridge und Oxford Geschichte und Literaturwissenschaft. Der Autor und Journalist hat sich mit BBC-Sendungen über Herodot, Homer, Thukydides und Vergil einen Namen gemacht. Er ist Bestsellerautor für Fiction und Historisches Buch und hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten.

Susanne Held studierte Romanistik, Germanistik und Philosophie und unterrichtete im Anschluss an ihr Studium von 1984 bis 1991 an der Universität Tübingen. Seit 2000 arbeitet sie als freie Lektorin und seit 2003 auch als freie Übersetzerin, vorwiegend von Literatur aus den Bereichen Philosophie und Geschichte.