Leonore Paurat, Ach, wenn doch bloß der Krieg nicht wär

Ganz egal wie lange ein Krieg dauert, es braucht immer Jahrzehnte und Generationen, um die sogenannten Kollateralschäden in den Seelen der Menschen halbwegs in eine Sprache zu bringen. Erst wenn man eine Geschichte zum Unsagbaren erzählen kann, besteht die Chance zu einer Versöhnung zwischen den Glückserwartungen und dem eingetretenen Unglück.

Leonore Paurat stellt einen Briefwechsel zweier Liebender aus dem Zweiten Weltkrieg vor, Friedrich ist achtzehn und Rosa ist sechzehn, als sie die Liebe trifft. Und gleich danach bricht der Krieg los, er muss einrücken, das erste Kind kommt als Kriegsurlauberkind, sie überleben und retten ihre Liebe anhand eines intensiven Briefverkehrs ins Freie des Friedens.

Briefe aus solchen Konstellationen sind vielleicht viele erhalten, das Besondere ist in diesem Fall, dass die Herausgeberin Jahrzehnte voller Alltagslast auf diese Briefe legt. Die Briefe sind in der Echtzeit als Überlebensmittel gedacht gewesen, bemerkenswert ist diese feine Sprache, durch die sich die Schreibenden der Kriegssprache rundum entziehen wollen.

Friedrich nützt die kampffreien Tage, um sich zu bilden und die Klassiker zu lesen. Ihr Glück definieren sie als Antimaterie zur Kriegswelt der Nazis. Dabei wird die Kraft der Klassiker durchaus romantisiert, wie man auch durch die Personalisierung des Krieges auf den Diktator den Schrecken tabuisieren und mit Gedanken-Voodoo bekämpfen will.

Und dann bricht im Frieden dieses romantische Fundament weg, die Liebe wird den Aufbaujahren geopfert und muss sich plötzlich mit ganz anderen Gefährdungen herumschlagen, als man sie im Krieg gedacht hat.

Irgendwann um diese Zeit greift dann auch die Herausgeberin ein und bringt das Altwerden der Protagonisten ins Spiel. Obwohl Friedrich etwa recht erfolgreich und als Siegertyp durch die Nachkriegsjahre gegangen ist, stirbt er letztlich über Schläuche mit der Außenwelt verbunden elendiglich. An diesem Sterben tut sich dann die Frage auf, ob die Überlebenden des Krieges wirklich etwas gewonnen haben, wenn ihnen ein ordinärer Tod dann so zu schaffen macht.

Rosa hingegen sammelt die Briefe und zieht sich damit immer mehr in ein Refugium zurück, worin die Sprache noch verlässlich, die Liebessschwüre echt, und die Liebe trotz der Entfernung greifbar gewesen sind.

Leonore Paurent stellt im dokufiktionalen Stil eine Liebesgeschichte vor, die wie alle Lieben reziprok aufgebaut ist, wenn es den Liebenden schlecht geht, geht es der Liebe gut und umgekehrt. Und dennoch bleibt der Krieg bedrohlich und unzähmbar.

Leonore Paurat, Ach, wenn doch bloß der Krieg nicht wär. Liebesbriefe aus dem 2. Weltkrieg, eine Liebesgeschichte
München: VoG Verlag ohne Geld 2016, 176 Seiten, 12,80 €, ISBN 978-3-943810-15-8

 

Weiterführender Link:
Verlag ohne Geld: Leonore Paurat, Ach, wenn doch bloß der Krieg nicht wär

 

Helmuth Schönauer, 16-11-2016

Bibliographie

AutorIn

Leonore Paurat

Buchtitel

Ach, wenn doch bloß der Krieg nicht wär. Liebesbriefe aus dem 2. Weltkrieg, eine Liebesgeschichte

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Verlag ohne Geld

Seitenzahl

176

Preis in EUR

12,80

ISBN

978-3-943810-15-8

Kurzbiographie AutorIn

Leonore Paurat ist Soziologin und Schauspielerin in München.