Eine königliche Schulbibliothek für die Praxisvolksschule Innsbruck der PHT

Lesen und Bildung sind wichtige Schlüssel zur Welt, zu einem erfolgreichen Leben. Viele Jahrhunderte wurden nur der Klerus und Adelige in der Kunst des Lesens unterwiesen. Bücher waren und sind Kostbarkeiten. Die Schulbibliothekarin Martina Schwerma, Lehrerin an der Praxisvolksschule der Pädagogischen Hochschule in Tirol, hat in Eigeninitiative mit viel Engagement und Kreativität in den letzten beiden Jahren eine wahrhaft königliche Schulbibliothek aufgebaut.

Nichts erinnert mehr an einen gewöhnlichen Klassenraum oder Gang. Die SchülerInnen dürfen auf mit Samt überzogenen Bänken Platz nehmen, vorgelesen wird am „Thronsessel“, sogar eine ritterliche Dienstkleidung bekommen die Mitglieder des Bibliotheksteams, wenn sie die Bücherschatzkisten wöchentlich in die Klassen tragen. Im folgenden Interview für Lesen in Tirol erzählt Martina Schwerma mehr über „ihr“ kleines Lesereich, das ein großer Gewinn für die gesamte Schulgemeinschaft ist.


Lesen in Tirol:
Liebe Martina, wie bist du auf die Idee mit der königlichen Bibliothek gekommen? Wer hat dich beim Aufbau der SB unterstützt? Woher stammen die finanziellen Mittel?

Martina Schwerma:

Nachdem an unserer Schule Mehrstufenklassen installiert wurden, musste die einstige Bibliothek weichen und fand im Lehrmittelkammerl Unterschlupf. Die räumlichen Bedingungen von 18m² ließen wahrlich kein reges Treiben zu und zu den Öffnungszeiten standen die Kinder entweder in der Registrierschlange oder sich gegenseitig im „Schmökerweg“. Also sinnierte ich nach einer kundenfreundlichen Lösung und ließ den Gang vor der Bibliothek durch die Brandschutzpolizei inspizieren. Kaum war geklärt, welche feuerpolizeilichen Vorschriften ich einhalten müsste, war ich Feuer und Flamme, für die Kinder an unserer Schule einen Ort zum Verweilen zu kreieren.

So spukte in meinem Kopf Folgendes herum: Die Wände müssen Bände sprechen, die Sitzmöglichkeiten einladende Seiten haben und der Raum etwas Ehrfürchtiges ausstrahlen. Was lag da näher, als eine Leseburg anzuzetteln?! Das hieß erst mal zu Papier und Stift zu greifen und für die Umsetzung begeisterte Mitstreiter zu finden. Leider war der Zeitpunkt nahe des Schulschlusses ein ganz schlechter. Jeder fächelte sich schon Luft zu, und das nicht nur, weil es tropische Temperaturen hatte. So  fanden sich Frei- und vor allem Willige, die die Metallspinde im Vorraum entfernten und ein Schülervater, der mir die Planung eines Holzsitzpodestes für die letzte Ferienwoche versprach. Ich ließ mich nicht entmutigen und übte mich sogar mit einem weiteren Schülerpapa im Tapezieren. Mein Schwager ist Bodenleger und erklärte sich bereit, das Podest mit feuerhemmendem Teppich zu verkleiden.

Zu Schulbeginn rief ich dann über einen Bettelbrief zu Spenden für unsere Bibliothek auf und so konnte ich dank Elternverein und vereinzelter Eltern den teuren Teppichbelag und den feuerfesten Trennvorhang finanzieren. Dann widmete ich mich meiner Leidenschaft, dem Nähen, und bestückte unsere Burg mit Pölstern und Decken – natürlich mit Logo!

Damit ich nicht allein auf weiter Flur die Tätigkeiten der Bibliotheksöffungszeiten bewältigen musste, hab ich mich um Buddys gekümmert, die den Mitschülern zur Seite stehen. Dafür hab ich eine einheitliche Uniform genäht, um diese sichtbar zu machen. Und damit keine Leseausweise mehr verschwinden, hab ich die ganze Schule mit sogenannten Lennarts für ihre Ausweise ausgestattet.

Ein royaler Vorlesesessel durfte auch nicht fehlen und so verbrachte ich einige Flohmarktbesuche damit, nach geeigneten Möbelstücken Ausschau zu halten.

Natürlich gehört ein entsprechender Teppich in unsere Leseburg, der einen altmodischen Touch als Grundlage bietet. Diesen fand ich bei einem Bauern auf Willhaben im Internet. 

Jetzt stand unserer erweiterten Leseburg nichts mehr im Wege und so konnte ich zu den Öffnungszeiten Klassen willkommen heißen und ihnen eine Geschichte vorlesen. Um noch die Möglichkeit zu haben, aktuelle Lesetipps auszustellen, hab ich weitere Regale in der Leseburg installiert und diese erweitert.

Um unserer Bibliothek ein Leitsystem zu geben, habe  ich Fahnen genäht, die die Regale mit Symbolen schmücken! Damit sich auch Kinder mit sonderpädagogischen Bedürfnissen zurechtfinden.

Unsere Bibliothek ist wirklich ein Schmuckkästchen geworden mit ganz viel Herzblut und wertgeschätzter Kundschaft! Dieses Werk wurde aus Elternspenden, aber vor allem von Eigeninitiative realisiert. Das  Geld war zweitrangig, die Freude über eine besondere Bibliothek zugunsten der Kinder war mein Motor! Die verbrachten Stunden zur Entstehung waren mir eine „Ehre“!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lesen in Tirol:
Wie wird die Bibliothek von den SchülerInnen und deinen Kolleginnen angenommen? Welche Angebote können dort genutzt werden?

Martina: Wir haben immer montags und freitags Öffnungszeiten und haben dies so organsiert: In jeder Klasse stehen royale, silberne Boxen, in denen die entliehenen Bücher gesammelt werden und die von den Buddys am Bibliotag abgeholt werden. Das hat schon richtig Ritual und Aufforderungscharakter! Für die Erstleser organisiere ich immer einen gemeinsamen Auftakt mit einem Bilderbuch, das ich vorstelle, und im Anschluss können die Kinder Bücher ausfassen, die ich in einem alten Koffer für ihr Leseniveau zusammengestellt habe. Das erspart zielloses Suchen in den Regalen! Für eingefleischte Bibliobesucher stelle ich unsere Leseneuheiten im Vorraum aus und fordere diese somit auf, sich mit neuen Spenden oder angeschafften Büchern auseinanderzusetzen.

Lesen in Tirol:
Was ist dein persönlicher  Zugang zum Lesen? Gibt es Lieblingsbücher? Lieblingsbücher zum Vorlesen für die Kinder?

Martina: Ich bin verliebt in Bilderbücher und Märchen! So greife ich gern zum Bilderbuch „Pippilothek???“ (von Lorenz Pauli und Kathrin Schärer), wenn ich den Kindern dieses Reich schmackhaft machen will. Und wenn die Tafelklassler zu mir kommen, dann schwelge ich in Katzenmärchen aus aller Welt, natürlich flankiert von Katzenfutter und einer Stofftierkatze, die meine dramaturgischen Vorlesekünste unterstreichen! Ich selbst bin ein Mensch ohne Sitzleder und daher hat der liebe Gott für mich Bücher erschaffen! Diese fesseln mich und lassen mich stundenlang inne halten! Mein Morgen fängt schon mit einer Leseeinheit an und mein Tag endet mit ein paar erlesenen Seiten! Alte Bücher, die von früher erzählen, haben es mir besonders angetan!

Lesen in Tirol:
Was sind deine nächsten Ziele als Schulbibliothekarin?

Martina: Wir praktizieren an unserer Praxisvolksschule einen Atelierunterricht statt dem herkömmlichen Förderunterricht. Ich habe hierfür die Leseförderung übernommen in altersheterogenen Gruppen. Dies ist wahrlich eine Herausforderung! Ich möchte dazu noch mehrere Methoden erproben, sei es mittels Computertechnik oder handgreiflicher Lesespiele, damit jeder seinen Zugang zum Lesen findet.

Lesen in Tirol:
Was wünscht du dir für deine Bibliothek? Für das Schulbibliothekswesen in Tirol?

Martina: Ich erfreue mich der Verbundenheit und des Netzwerks, das ich durch die Ausbildung zur Schulbibliothekarin erfahren durfte. Ich gehe mit so viel neuen Impulsen an meine Arbeit und möchte gern meine Erfahrungen und meine Leidenschaft für diese erkorene Tätigkeit teilen. Gern stelle ich mich als Multiplikatorin zur Verfügung und zeige anderen KollegInnen, dass es möglich ist, mit wenig Geld und erschwerten Bedingungen, Raum zu schaffen, der zum Lesen einlädt! 

Lesen in Tirol:
Was möchtest du den LeserInnen noch sagen?

Martina: Jeder kann lesen! Ob Worte, Bilder oder zwischen den Zeilen ... Lesen ist ein Wunder und ein Geschenk zugleich! Mögen wir BibliothekarInnen dazu beitragen, dass es niemandem verschlossen bleibt!

Lesen in Tirol:
Vielen Dank für die Einladung in deine wunderschöne neue Schulbibliothek. Wir sind sehr beeindruckt und gratulieren herzlich. Weiterhin viel Freude mit dem riesigen Engagement und dem Vermitteln von Kinderliteratur. 
 

Quelle Fotos: Schwerma Martina/Überall Dina

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